Die Schattenmatrix - 20
Margarets Überraschung gab es ein Deckengemälde mit den vier Gottheiten Darkovers, jede in einem eigenen Quadranten. Was für ein merkwürdiger Einfall, dachte sie, und auch das Bild von Zandru in seiner winterlichen Hölle, das sich drohend über ihr erhob, gefiel ihr überhaupt nicht.
»Ist das ein Staatsereignis hier?«, flüsterte Margaret ihrem Vater zu. »Nicht ganz. Ich glaube, Regis will eine offizielle Atmosphäre schaffen, um die tobende See der Emotionen zu bändigen.« Er deutete mit einer weiten Geste über den Raum.
»Ich wünsche ihm viel Glück dabei. Offensichtlich will er alle beeindrucken und zeigen, wer hier der Herr im Haus ist.« Sie seufzte leicht, spürte ihre schmerzenden Beine und war plötzlich zu müde, um sich noch länger über Regis Gedanken zu machen. »Ist das hier so wie bei den Staatsbanketten, an denen du als Senator teilgenommen hast?«
»Ja. Aber hoffentlich wird das Essen hier besser sein, und wir werden nicht unzähligen Reden lauschen müssen.«
»Hast du es denn so gehasst?«
»Mit Dio an meiner Seite ging es, sie hat ein unglaubliches Geschick im Umgang mit Menschen, das mir völlig fehlt. Sie könnte den größten Langweiler im ganzen Universum ertragen, ohne eine Miene zu verziehen - wahrscheinlich hat sie es sogar einige Male getan. Nur ohne sie wurde es unerträglich.«
»Dann werde ich versuchen, ein angemessener Ersatz zu sein.« Margaret hatte sich bereits nach der Gesundheit ihrer Stiefmutter erkundigt, aber ihr Zustand war unverändert. Wenn sie doch nur einen Weg finden könnte, die Frau zu heilen, um Lews willen und um ihretwillen. Der Wunsch zu helfen brannte so frisch und heiß in ihr wie an jenem Tag, an dem sie erfahren hatte, dass Dio im Sterben lag. Doch dann wurde ihr klar, dass es sie in eine tiefe Verzweiflung stürzen würde,
wenn sie anfing darüber nachzudenken, und das kam ihr sinnlos vor. Auf der Suche nach Ablenkung ließ Margaret den Blick durch den riesigen Saal schweifen. Sie entdeckte Francisco Ridenow, ins Gespräch versunken mit Dyan Ardais. Javanne Hastur redete mit Lady Linnea, aber ihrem Gesichtsausdruck nach widmete sie der Unterhaltung nicht ihre volle Aufmerksamkeit. Lady Marilla Aillard beobachtete wie so häufig mit besorgter Miene Dyan, und neben ihr stand völlig ruhig Liriel Lanart. Die beiden bildeten einen starken Kontrast, denn Liriel war so groß, wie sie rund war, und Marilla war wahrhaft zierlich.
Margaret hörte ein Räuspern hinter sich und drehte sich um. Im Eingang stand Mikhail Hastur, bekleidet mit einem rosenfarbenen Überrock mit silberner Borte. Er hielt ein Mädchen an jeder Hand, und neben ihm stand ein nervös wirkender junger Mann. Das mussten Emun Elhalyn und seine Schwestern sein, allerdings hatte Margaret keine Ahnung, welche die jüngere und welche die ältere der beiden Mädchen war. Trotzdem war es eine große Erleichterung, Mikhail mit diesen Kindern zu sehen statt mit Gisela Aldaran. Mikhail lächelte Margaret an, und sie dachte, das Herz würde ihr gleich aus der Brust springen. Dann trat er vor, machte eine sittsame Verbeugung und sah ihr in die Augen wie ein Verdurstender, vor dessen Füßen sich soeben alle Flüsse dieser Welt aufgetan hatten. Sie standen da und starrten einander an, ohne ihre Umgebung wahrzunehmen.
Schließlich kehrte Mikhail mit einem sichtbaren Ruck ins Hier und Jetzt zurück und erinnerte sich seiner Pflichten. »Liebe Marguerida, darf ich dir Damisela Miralys Elhalyn, ihre Schwester Valenta und ihren Bruder Emun vorstellen. Kinder, das ist Domna Marguerida Alton.«
Emun machte eine ziemlich unbeholfene Verbeugung, bei der ihm der Schweiß auf die schmale Stirn trat. Miralys machte einen vollendeten Knicks, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan, Valenta hingegen betrachtete Margaret nur auf fast schon unhöfliche Weise, bevor sie die Knie eine Idee beugte. Dann sah das jüngere Mädchen zu Mikhail auf, der immer noch völlig verwirrt war, und nickte, als wäre nun ein Rätsel zu ihrer Zufriedenheit gelöst.
Valenta ließ Mikhails Hand los und trat auf Margaret zu. »Ich weiß alles über dich«, sagte sie leise.
»Tatsächlich?« Margaret wusste nicht recht, was sie davon halten sollte. In den Augen des Mädchens lag ein beunruhigender Ausdruck, und sie schien Margaret mit großer Sorgfalt zu prüfen. Valentas Blick war sehr viel intensiver, als es auf Darkover für schicklich gehalten wurde, aber nachdem Margaret sogar schon einmal vor einer Prüfungskommission der
Weitere Kostenlose Bücher