Die Schattenmatrix - 20
für mich!«
»Warum erzählt Ihr uns nicht einfach schön langsam, was ihr genau meint? Verzeiht bitte unsere Unwissenheit, Domna, und beginnt am besten ganz von vorne.« Marguerida sprach leise, ihre Stimme strahlte eine unglaubliche Ruhe aus. Mikhail wurde bei ihrem Klang von einer augenblicklichen Heiterkeit durchflutet, von der er wünschte, sie würde ewig währen.
Margueridas Bemühungen hatten allerdings nicht die erhoffte Wirkung auf Amalie El Haliene. Ihre goldenen Augen wurden schmal vor purem Hass, und sie ballte die Fäuste. Ihr Körper krümmte sich vor unterdrückter Wut, und dieses Gefühl war so mächtig, dass es Mikhail fast überwältigte. Es war eine überaus unangemessene Reaktion auf Margueridas Frage.
»Wer seid Ihr?« Die Frage kam gepresst und ängstlich aus ihrem Mund.
»Ich weiß nicht, was Ihr meint, Domna«, sagte Mikhail hilflos. »Ihr seid nicht diejenigen, die ich erwartet habe, nicht im Geringsten.«
»Und wen habt Ihr erwartet?«
»Einen Krieger. An Euch ist nichts, was …»
Mikhail schüttelte den Kopf. »Ich kann ganz gut mit einem Schwert umgehen, aber Krieger, wie Ihr sie kennt, gibt es in meiner… in meiner Zeit nicht mehr.« Es kam ihm komisch vor, das so zu sagen, wenn er an Darkovers blutige Geschichte dachte, aber es stimmte. Sie benutzten die Schwerter mehr aus Gründen des Brauchtums als aus Notwendigkeit. Der verstorbene Dyan-Gabriel Ardais, dem nun wirklich niemand nachweinte, war vielleicht der letzte echte Krieger Darkovers gewesen. Alle anderen waren noch vor Mikhails Geburt aus dem Leben geschieden.
»Ich verstehe. Aus welcher schäbigen und ehrlosen Zeit kommt Ihr denn?«
»Ich komme aus einer Zeit des Friedens, nicht des Kriegs, Domna El Haliene.«
»Frieden? So etwas hat es in der gesamten Geschichte Darkovers nicht gegeben. Die Vergangenheit ist ein riesiges Schlachtfeld.« Die Vergangenheit? Sie glaubt, wir kommen aus ihrer Vergangenheit, Mik, nicht aus der Zukunft.
Ja, das sehe ich. Und ich bin mir nur nicht sicher, ob es etwas nützt, wenn wir sie aufklären. Sie scheint sich in den Kopf gesetzt zu haben, dass wir ihr helfen müssen, den Turm von Hali vor der Zerstörung zu bewahren. Ich weiß nicht, wozu uns diese verfluchte Stimme hierher geschickt hat, aber das hier war es nicht, so viel weiß ich sicher.
Dem stimme ich zu. Außerdem hält sie uns ganz nett hin. Sie weiß etwas, das wir nicht herausfinden sollen.
»Es tut mir Leid, dass ich Euch enttäuschen muss, Domna El Haliene. Aber ich bin so wenig freiwillig vor Eurer Tür erschienen, wie Ihr sie mir geöffnet habt.«
»Ja. Vielleicht habe ich mich geirrt. Nein, das ist unmöglich. Ich irre mich nie. Es muss einen Weg geben, wie Ihr dieses Unglück aufhalten könnt, wie Ihr verhindern könnt, dass Dom Padraic und Dom Kieran alles in Stücke hauen. Keiner von beiden darf die Herrschaft über Hali erlangen … und mich benutzen, wie sie es vorhaben!«
»Und wie wäre das?«
»Beide wollen natürlich, dass ich die Kraft des Turmes gegen den jeweils anderen einsetze. Seid Ihr wirklich so dumm?« Sie klang wie eine Frau, die am Ende ihrer Geduld angelangt ist.
»Ich bin nicht dumm. Ich weiß nur nicht, wovon Ihr redet. Wer sind Dom Padraic und Dom Kieran?« Mikhail hielt seine Verärgerung nur mit Mühe zurück und befahl seinem knurrenden Magen zu schweigen.
Amalie seufzte wieder. »Dom Padraic ist mein Vetter, Padraic El Haliene, und er rechnet fest damit, dass ich ihm den Turm übergebe, weil … weil wir verwandt sind. Er hat bereits …« Ihre Augen weiteten sich vor Schreck, und sie schluckte schwer. »Dom Kieran ist der Streiter des Königs, Kieran Castamir.« Sie hielt inne und sah Mikhail an, als erwartete sie, dass die Namen eine Reaktion bei ihm auslösten.
Sie war drauf und dran, uns etwas Wichtiges zu sagen, Mik, aber dann hat sie es sich wieder anders überlegt. Ich frage mich, was Padraic wohl bereits getan hat. Und da ist noch etwas - ich kann es spüren, und es läuft mir kalt über den Rücken dabei. Was denn?
0 Gott! Ashara! Sie war hier, und es ist noch nicht lange her. Ich spüre ihre Gegenwart hier im Turm. Warum ist mir das denn nicht früher klar geworden? Bring mich bloß weg von hier!
Schluss damit, Marguerida! Nimm dich zusammen! Wir brauchen erst noch mehr Informationen, und wenn du mir jetzt hysterisch wirst, finden wir nie heraus, was wir wissen müssen.
Ja, Mik. Ich werde mir Mühe geben. Aber es ist so …
Mikhail spürte, wie sie ruhiger zu atmen versuchte, und
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