Die Schattenmatrix - 20
versuchen, den geschmolzenen Kern des Planeten zu erreichen? Kaum war ihr dieser respektlose Einfall durch den Kopf geschossen, blieb ihre Aufmerksamkeit auch schon an ihm hängen. Gedanken von Wärme und Trockenheit huschten wie Glühwürmchen durch ihren Kopf und versprachen etwas, das sie jedoch einfach nicht zu fassen bekam. Enttäuscht und wütend ballte Margaret die Faust und hieb auf den Schlamm und die verfaulenden Kiefernnadeln auf dem Boden.
Sie war jedoch zu müde, um diese unproduktive Tätigkeit lange fortzusetzen, deshalb hörte sie widerstrebend auf und wischte sich die Hand an ihrer durchnässten Hose ab. Sie zwang sich, langsam und ruhig zu atmen, untersuchte Mikhail noch einmal und kehrte wieder zu ihrem Problem zurück.
Das Blut der Erde. Die Worte schwebten durch ihren Geist, und sie erinnerte sich, dass Varzil sie gebraucht hatte, um die kupfernen Catenas-Armbänder zu beschreiben. Und Kupfer, fiel ihr plötzlich aus dem Physikunterricht ein, war ein ausgezeichneter Wärmeleiter! Margaret betrachtete das wulstige Objekt, das ihr rechtes Handgelenk umschloss. Trotz allem musste sie lächeln, als sie diesen unwiderruflichen Beweis für ein Ereignis sah, nach dem sie sich insgeheim gesehnt hatte, auch wenn sie es sich nie ganz eingestand. Sie waren verheiratet, eins, und obwohl sie die Freuden eines Hochzeitsfestes vermisste - das Essen
(das vor allem!), die Musik, das Brautkleid, das Aaron bestimmt mit Freude für sie genäht hätte - so war die Zeremonie jedenfalls vollzogen.
»Eine wunderbare Art, den Tag zu verbringen, der eigentlich der glücklichste meines Lebens sein sollte«, brummte sie missmutig vor sich hin.
Beim Klang ihrer Stimme rührte sich Mikhail ein wenig, murmelte etwas Unverständliches und verstummte wieder. »Wach auf! Komm schon, Mik! Du verpasst deine Hochzeitsnacht, wenn du nicht aufwachst!«
Die Hochzeitsnacht. Margaret fuhr ein Schauder über den Rücken. Die Jahre der Überschattung durch Ashara zogen an ihrem geistigen Auge vorbei. Die Ermahnung, allein zu bleiben, war so eindringlich gewesen, dass sie bis zu Mikhails Umarmung im Sommer noch nicht einmal einen Mann geküsst hatte. Fast war sie froh, dass Mikhail nicht in der Verfassung war, die Ehe zu vollziehen. Doch dann wurde sie plötzlich unglaublich wütend auf ihn. »Wach auf, verdammt!« Sie rüttelte ihn an der Schulter, um ihn aus seiner Betäubung zu wecken.
Mikhail zeigte keine Reaktion, und Margaret seufzte. Sie nahm den Arm von seiner Schulter und betrachtete das Armband. Es war reich verziert, mit einem noch aufwendigerem Muster als der Reif an Lady Linneas Handgelenk. Es stellte wohl ein in die Länge gezogenes Tier dar, das sich in den Schwanz biss. Sie hielt das Schmuckstück näher an ihr Gesicht, um herauszufinden, worum es sich handelte. Keine Schlange jedenfalls, auch wenn sie wusste, dass dieses Tier oft derart abgebildet wurde. Eher ein Panter oder ein anderes katzenähnliches Wesen.
Die Augen des Tieres funkelten, und Margaret erkannte nun, dass kleine Sternsteine ins Metall eingelassen waren, nicht nur als Augäpfel, sondern auch entlang des gebogenen
Schwanzes, wie feiner, glitzernder Staub. Es war eine sehr schöne Arbeit, und der Grünspan glänzte vor Nässe.
Margaret streckte die Finger der linken Hand und drehte das Armband langsam, wobei sie zum ersten Mal die vielen Kleinigkeiten wahrnahm. Wenn sie Daumen und Zeigefinger auf eine Seite des Reifs legte, fühlte er sich an, als würde er unter ihrer Berührung lebendig. Sie riss die Finger erschrocken zurück. Aber das war es nicht. Das Armband reagierte vielmehr auf die Energie ihrer Schattenmatrix.
Eine Weile sinnierte sie über das Wunder, dass ein träges Stück Metall mit Steinen auf ihre Berührung reagierte. Darin lag etwas von großer Bedeutung, sie konnte es nur nicht genau deuten. Kupfer ist ein ausgezeichneter Leiter, wiederholte ihr müdes Gehirn. Das weiß ich, schrie sie sich im Geiste selbst an, aber was bedeutet es? Bevor Margaret wusste, was sie da tat, legte sie ihre rechte Hand flach in den Schlamm und fasste mit der linken so fest um das Armband, dass es kleine Einkerbungen in ihren eiskalten Fingern hinterließ. Nichts geschah. Was sollte auch schon geschehen? Margaret fluchte, aber sie zog ihre Hand nicht zurück. Sie spürte, dass sie etwas übersah. Nur was? Ein Musikstück - nicht sehr wahrscheinlich. Wieso dachte sie an Musik, wenn sie Wärme haben wollte! Es war nicht Musik, sondern etwas Ähnliches - eine
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