Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schattenmatrix - 20

Die Schattenmatrix - 20

Titel: Die Schattenmatrix - 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
all den Jahren der Vernachlässigung durcheinander geraten war. Er war auch nur ein Mensch, und in vielen häuslichen Belangen ein sehr unwissender dazu. Aber er war entschlossen, sein Bestes zu tun, auch wenn er damit Priscilla und ihre merkwürdige Gefährtin gegen sich aufbrachte.
Mikhail gefiel, was er sah, als sich die anderen Kinder ihm vorstellten. Offensichtlich hatten sie sich große Mühe gegeben und sich für diese besondere Gelegenheit herausgeputzt. Ihr Haar war gekämmt, Gesichter und Hände gewaschen. Sie sahen zwar immer noch Bettlern ähnlicher als den Kindern einer reichen Domäne, aber Mikhail freute sich dennoch. »Wie der Herr, so die Diener«, hieß ein Spruch in den Bergen, und mehr als je zuvor spürte er die Wahrheit, die darin lag.
Aufmerksam musterte Emun die beiden Gardisten, die nun ihre Uniformen trugen statt ihres Reisegewands; seine jungen Augen waren vor Bewunderung weit aufgerissen. Mikhail
wurde bewusst, dass die beiden Jungen, ebenso wie Alain, unter anderen Umständen inzwischen längst bei den Kadetten wären. Wahrscheinlich wäre es das Beste für sie, so bald wie möglich aus diesem düsteren Haus mit seinen Medien und Geistern wegzukommen. Aber Priscilla hatte eine einzige Bedingung gestellt, nämlich, dass ihr die Kinder unter keinen Umständen weggenommen werden durften.
Mikhail glaubte, dass er diese Verfügung sicher wegen Untauglichkeit aufheben lassen könnte, aber dazu müsste er vor das Cortes-Gericht gehen. Dort war man gegenwärtig mit Dom Gabriels Rechtsstreit bezüglich der Domäne Alton ausreichend beschäftigt, dazu noch mit der möglichen Rückkehr der Aldarans in den Rat der Comyn. Die Richter des Cortes rauften sich angeblich alle zusammen die Haare, weil sie sich Angelegenheiten gegenübersahen, für die es meist nur wenige oder gar keine Präzedenzfälle gab. Ein Prozess würde außerdem bedeuten, dass Mikhail ohne die Kinder nach Thendara zurückkehren musste, und er vermutete, dass er sie damit nur in Gefahr brachte. Er hatte sich noch nie so sehr gewünscht, an zwei Orten gleichzeitig sein zu können, wie in diesem Augenblick - eigentlich an dreien, wenn er sein Verlangen, bei Marguerida in Arilinn zu sein, mitzählte.
Was für ein Dilemma! Er musste dafür sorgen, dass es den Kindern gut ging, und sei es nur, um einen der Jungen auf den Thron zu bringen. Um das bewerkstelligen zu können, musste er noch eine Weile in diesem Tollhaus bleiben. Andernfalls würde er als Marionettenkönig enden, bei dem sein junger Vetter Danilo die Fäden zog. Er mochte Danilo sehr, aber er verspürte nicht das geringste Verlangen, in eine solche Situation zu geraten. Es wäre sehr schwierig für ihn und wahrscheinlich noch schwieriger für Danilo.
Tiefe Zweifel nagten an ihm und verdarben ihm den Appetit. Er spürte, wie die Augen der Kinder ängstlich und erwar
tungsvoll auf ihn gerichtet waren. Nur Vincent schien zuversichtlich zu sein, und einmal mehr stellte Mikhail ein gewisses Unbehagen bei sich fest, was den mittleren Sohn betraf. Vielleicht tat der Junge auch nur so eingebildet, um seine Unsicherheit zu verbergen, aber irgendetwas war eigenartig an Vincent, allerdings konnte Mikhail es nicht genau benennen. Er wusste einfach nicht genügend über junge Männer - obwohl er selbst einer gewesen war -, um sich in seinem Urteil sicher zu fühlen.
Regis hätte ihn nicht allein hierher schicken dürfen. Er wäre besser in Begleitung von Hauslehrern, einem Fechtmeister und ein paar Erzieherinnen für die Mädchen gekommen. Warum war das eigentlich nicht der Fall? Sein Onkel war ein kluger Mann, und er tat selten etwas Unüberlegtes. Was, wenn ihn Regis nur aus dem Weg haben wollte?
Das unangenehme Gefühl, überflüssig zu sein und abgeschoben zu werden, das er mit vierzehn so oft verspürt hatte, flutete zurück. Mikhail versuchte den unerwünschten und unangenehmen Wust an Empfindungen zu unterdrücken, aber sie nagten während des gesamten armseligen Mahls aus zerkochtem Geflügel und matschigem Getreide an ihm. Abgesehen von den gelegentlichen Fragen Vincents war es ein sehr schweigsames Mahl. Die Mädchen aßen, als wären sie am Verhungern, und auch Emun schlang seine Portion Huhn hastig hinunter und sah sich nach mehr um. Irgendwann im Laufe der Mahlzeit tauchte eins der alten Kindermädchen auf, ging in die Küche und kam mit einem Tablett wieder heraus, das vermutlich für Alain bestimmt war.
Als Mikhail seine Gedanken wieder von seinen eigenen Sorgen ablenken

Weitere Kostenlose Bücher