Die Schattenmatrix - 20
habe Regis bisher immer vertraut, mehr als irgendwem sonst. Und ich wollte hier bestimmt gute Arbeit leisten, um meine Nützlichkeit zu beweisen.
Deine Nützlichkeit? Du brauchst doch nichts zu beweisen! Danke, Schwester. Aber würdest du auch so denken, wenn wir nicht verwandt wären?
Was soll dieser Unsinn? Du bist einer der fähigsten und klügsten Männer, die ich kenne.
Ich muss versuchen, mich hier irgendwie über Wasser zu halten. Ich komme mir dabei nicht gerade besonders fähig vor, von klug ganz zu schweigen! Und die nackte Wahrheit ist, dass ich einen geeigneten Elhalyn finden will, damit ich die Regentschaft endlich wieder los bin! Ich will auf gar keinen Fäll den Thron besteigen und für den Rest meines Lebens auf Danilo Hastur hören. Ich verstehe. Unter diesem Aspekt habe ich es natürlich noch nie gesehen. Dann erzähl mir doch mal von Priscillas Söhnen.
Sie sind zu dritt - Alain, Vincent und Emun. Was Alain anging, hatte ich schon so meine Zweifel, bevor ich hierher kam; ich bin ihm vor einigen Jahren mal begegnet, und er machte damals schon einen etwas labilen Eindruck auf mich. Und ich habe mich nicht getäuscht. Alain ist unmöglich, ein Wrack, allerdings nicht wegen seines Laran, glaube ich zumindest, sondern wegen etwas anderem, das ich noch nicht entdecken konnte. Bei Vincent hatte ich hingegen wenigstens Hoffnung.
Und jetzt hast du keine mehr. Und Emun?
Er ist ein sehr ängstliches Kind, und ich weiß nicht, ob man das heilen kann. Ich will dir nicht zu viel erzählen, denn ich möchte deinen eigenen Eindruck hören.
Liriel lächelte. Wie ich sehe, hat Marguerida einen guten Einfluss auf dich.
Was willst du damit sagen?
Nur, dass du dir früher nicht gerade viel aus Objektivität gemacht hast, Bruderherz. Sie schnupperte in der Luft, als sie ans Ende der Treppe kamen. Du hast mich nicht richtig auf dieses gottverlassene Haus vorbereitet. Kein Wunder, dass die Elhalyns so eigenartig sind, wenn sie hier wohnen.
Du hättest es mal bei meiner Ankunft sehen sollen! Es war früher ein sehr schönes Haus. Es ist mir ein Rätsel, wieso Priscilla es verfallen ließ, aber sie ist überzeugt, dass sie sowieso bald von hier weggehen wird, auch wenn völlig im Dunkeln bleibt, wohin sie gehen will. Hier wachsen eine Menge Pflanzen, die ich anderswo noch nie gesehen habe, und die Brise vom Meer von Dalereuth ist sehr belebend. Jedenfalls war sie es noch, als ich hier ankam. Ich hatte ja keine Ahnung, wie schrecklich dieser Ort im Winter ist.
Mikhail, hör endlich auf, um den heißen Brei herumzureden, und sag, was dir so zu schaffen macht! Du kannst einen manchmal rasend machen.
Schlimmer als Gabriel?
Hm. Nach meiner Erfahrung kann einen wirklich niemand so wütend machen wie unser Bruder. Aber du stellst meine Geduld gerade auf eine harte Probe!
Tut mir Leid, Liri. Das war keine Absicht. Dieses Haus hat mich völlig deprimiert, mehr als mir bis zu diesem Augenblick bewusst war. Als mich Regis vor Mittsommer fragte, ob ich Regent werden will, war ich zwar nicht sonderlich erfreut, aber ich habe mir diese Aufgabe lange nicht so schwierig vorgestellt. Ich hatte ja keine Ahnung, wie sehr sich die Kinder in den rund vier Jahren seit unserem letzten Zusammentreffen verändert haben, und ganz bestimmt habe ich nicht erwartet, dass sich Vincent in diese Richtung entwickeln würde.
In welche Richtung denn?
Ich weiß nicht recht, wie ich es beschreiben soll, weil mir so etwas noch nie begegnet ist. Priscilla hat Vincents Vater nie erwähnt, aber ich habe immer angenommen, dass er auch Alains Vater ist. Sie will jedoch unter keinen Umständen seinen Namen nennen und sagt nur, dass es ihre Söhne sind.
Was! Kein Wunder, dass sie nicht nach Thendara kommen will und sich die letzten zwanzig Jahre hier oben verschanzt hat. Sie könnte ein Dutzend Liebhaber gehabt haben!
Sehr viel Gelegenheit zu sexueller Zügellosigkeit gibt es hier draußen nicht gerade, Liri.
Das stimmt allerdings. Hat sie denn gesagt, warum sie von hier weggehen will?
Es hat etwas mit diesem Wächter zu tun, von dem sie ständig redet oder vielmehr nicht reden will. Ich habe sie gefragt und gefragt, aber nie eine vernünftige Antwort bekommen.
Rätsel über Rätsel.
Das war einer von Margueridas Lieblingsausdrücken, und es verwirrte Mikhail ein wenig, ihn in Liriels Geist zu hören. Er holte tief Luft und stellte eine der Taschen ab, damit er die Tür zu Liriels Zimmer öffnen konnte. »So. Schöner konnte ich es dir leider
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