Die Schattenmatrix - 20
diesen unerfreulichen Spekulationen los und fühlte sich unbehaglich und beinahe schmutzig. Nein, er musste sich irren! Priscilla würde nie etwas so Unziemliches tun.
Er sah die beiden jungen Frauen an. Beide hatten während der Wochen seines Aufenthalts um seinen Schutz gebeten, aber er hatte die Ursache für ihre Angst nicht erkannt. Mikhail hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt. Dass er die Hilferufe fast im selben Augenblick wieder vergessen hatte, in dem er sie hörte, trug nicht gerade zu seinem Wohlbefinden bei.
Mikhail verspürte ein flaues Gefühl im Magen. Als Regent von Elhalyn war er eidlich dazu verpflichtet, diese beiden Mädchen zu beschützen, und er wusste, dass er seine Sache bisher nicht sehr gut gemacht hatte. Stets war er bemüht, alles so zu regeln, dass er Priscilla Elhalyn nicht verletzte oder gegen ihren Wunsch verstieß, nicht von ihren Kindern getrennt zu werden. Er war ein Idiot! Er musste die Kinder wegbringen, und zwar bald.
Doch was würde Regis Hastur dazu sagen? Er hatte Mikhail nicht befohlen, die Kleinen nach Thendara zu bringen. Er hatte im Gegenteil darauf bestanden, dass Mikhail nichts unternahm, was Priscillas Absichten störte, er sollte sich nach ihren Wünschen richten und lediglich dafür sorgen, dass die Kinder wohlauf waren, sowie einen geeigneten Sohn für die Thronfolge suchen. Er hatte, kurz gesagt, Mikhail die Hände gebunden. Mikhail hatte die Andeutung seines Onkels sicher nicht missverstanden, dass er erst dann in die Stadt zurückkehren durfte, wenn er die Jungen geprüft und einen Thronkandidaten bestimmt hatte, und sicher trog ihn auch nicht das Gefühl, dass ihn sein Onkel in eine völlig unhaltbare Situation manövriert hatte. Die ganze Regentschaft war ein Schwindel, und Regis hatte sie sich ausgedacht, um Javanne und andere Reaktionäre von seinem Plan abzulenken, die Domäne Aldaran wieder mit den anderen zu verbinden.
Mikhail bekam nicht häufig Wutausbrüche. Aber in diesem Augenblick wäre er nur zu gern explodiert, um seinem wochenlang aufgestauten Zorn Luft zu machen. Nur die Anwesenheit der beiden Mädchen hielt ihn davon ab, gegen die nächste Wand zu treten oder den Stuhl zu packen, auf dem die Gardisten in der Nacht saßen, und Kleinholz aus ihm zu machen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich mit einem gedachten Verflucht sollst du sein, Regis zu begnügen.
Es war schon schlimm genug, dass sich irgendeine kleine Kräuterhexe ungefragt in seinen Geist drängte, aber dass ihn sein Onkel so geschickt manipuliert hatte, erschien ihm als ein gewaltiger Verrat. Vor allem auch, weil ihm beim besten Willen kein Grund einfiel, warum Regis ihm diese Aufgabe gestellt hatte, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Was würde es denn beweisen, wenn es ihm gelang, den Thron mit einem von Priscillas Söhnen zu besetzen? Dass er brav und treu war und immerzu tat, was Regis wollte? Dazu bedurfte es keines Beweises mehr, und wenn sein Onkel an ihm zweifelte, hätte er sicher einen anderen Weg gefunden, um es ihm zu zeigen.
Wie viel Autorität hatte er wirklich, und warum hatte er seinem Onkel diese Frage nicht gestellt, als noch Gelegenheit dazu war? Oder hatte er sie gestellt und war nur geschickt vertröstet worden? Konnte er sich Priscillas Wünschen widersetzen und die Kinder von Haus Halyn wegbringen?
Mikhail sah das Problem vielmehr darin, dass er seine Stellung nicht als Machtposition ansah, sondern nur als eine Verpflichtung, von der er so schnell wie möglich wieder befreit werden wollte. Er war hierher gekommen, weil Regis es ihm aufgetragen hatte, nicht weil er selbst es wünschte oder weil es ihn auch nur im Mindesten interessierte, ob ein weiterer Elhalyn den Thron von Darkover bestieg. Er hatte im Gegensatz zu Regis, Dom Gabriel und all den anderen aus dieser Generation nie einen Elhalyn-König erlebt und entdeckte zu seiner Bestürzung, dass er dieser Aussicht praktisch emotionslos ge
genüberstand - abgesehen von der Tatsache, dass er die Aufgabe dann nicht selbst übernehmen musste.
Er seufzte und war tief in seine sorgenvollen Gedanken versunken, als Liriel aus ihrem Zimmer kam und in Richtung Bad ging. Die beiden Mädchen beobachteten sie aus großen Augen. Sie war mit einem weiten grauen Nachthemd bekleidet, und sie warf den beiden ebenfalls einen Blick zu, bevor sie an ihnen vorbeiging und den dampfenden Raum mit der riesigen Wanne betrat.
»Sie ist ziemlich imposant, nicht wahr?« Miralys’ Bemerkung rief Mikhail wieder in
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