Die Schattenplage
ebenfalls ihre Kleider zusammen, schaltete die Lampe aus und zog sich um. Dann stieg sie mit Schuhen wieder ins Bett.
»Wie soll ich bloß schlafen?«, fragte Seth nach einigen Minuten.
»Tu einfach so, als wäre nichts geschehen. Sie sind so leise, es könnte eine ganz gewöhnliche Nacht sein.«
»Ich werd’s versuchen.«
»Gute Nacht, Seth.«
»Lass dich nicht von den Wichteln beißen.«
Seth hatte für den Rest der Nacht einen leichten Schlaf, aus dem er oft hochschreckte, starr am ganzen Leib, verwirrt und desorientiert. Einige Male schaltete er die Lampe ein, um sich davon zu überzeugen, dass keine wilden Wichtel im Raum umherhuschten. Er beugte sich sogar vor, um unters Bett zu spähen, nur für den Fall des Falles.
Schließlich erwachte er, als rosiges Licht durch die Vorhänge fiel. Er kletterte aus dem Bett, ohne Kendra zu stören, ging zum Fenster und wartete auf den Sonnenaufgang. Keine Spur von weiteren Feen. Nach ein paar Minuten hörte Seth die Dachbodentreppe knarren. Er rüttelte Kendra wach, dann ging er zur Tür. »Wer ist da?«
»Gut, dass ihr wach seid!«, rief Warren. »Mach die Tür nicht auf.«
»Warum nicht?«
»Sie ist mit einer Selbstschussanlage versehen worden. Aber wenn ich es mir so ansehe, könntest du, wenn du willst, die Tür schnell aufreißen, solange du nur dahinter bleibst, Seth. Und sorge dafür, dass Kendra ebenfalls hinter der Tür bleibt.«
»Okay.« Kendra stand aus dem Bett auf und trat neben die Tür. Seth umklammerte den Knauf, drehte ihn langsam und riss die Tür dann auf, während er gleichzeitig zurücksprang. Drei Pfeile sirrten in den Raum und bohrten sich in die gegenüberliegende Wand.
»Gut gemacht«, meinte Warren anerkennend. »Werft mal einen Blick auf die Treppe.«
Seth spähte durch die Tür. Zahlreiche Drähte zogen sich kreuz und quer über die Treppe, hoch und tief, horizontal und diagonal. Viele der Drähte liefen durch Blöcke oder Haken, die an den Wänden befestigt waren. Mehrere Armbrüste zielten von den oberen Ecken des Treppenhauses aus auf die Dachbodentür. Unten im Flur war geschickt eine Schrotflinte montiert, deren Lauf die Treppe hinaufzeigte. Warren stand geduckt etwa auf halber Höhe der Treppe und hatte es bereits an mehreren Drähten vorbeigeschafft.
»Woher kommen all die Waffen?«, fragte Kendra hinter Seth.
»Die Wichtel haben eine Waffenkammer im Kerker geplündert«, erklärte Warren. »Viele der Waffen haben sie zusätzlich von Hand gemacht. Diese Treppe ist nur der Anfang. Das ganze Haus ist mit Fallen aller Art versehen. So etwas habe ich noch nie gesehen.«
»Wie kommen wir die Treppe runter?«, fragte Kendra.
Warren schüttelte den Kopf. »Ich hatte vor, die Fallen zu entschärfen, aber die Anlage ist kompliziert. Einige Schnüre sind so gespannt, dass sie mehrere Fallen gleichzeitig auslösen; einige sind nur Tarnung. Es fällt mir schwer festzustellen, welcher Draht was bewirkt. Als du die Tür aufgezogen hast, hat einer der Pfeile mein Ohr gestreift. Ich habe ihn nicht kommen sehen.«
»Vielleicht könnten wir aufs Dach klettern und auf diesem Weg nach unten gelangen«, schlug Seth vor.
»Dort liegen mindestens ein Dutzend dunkler Feen auf der Lauer. Im Augenblick ist es keine Option, nach draußen zu gehen.«
»Hat Opa die Feen nicht aus dem Garten verbannt?«, fragte Kendra.
Warren nickte. »Bevor er sie verbannt hat, müssen sich dunkle Feen in der Nähe des Hauses versteckt haben. Das Register verstößt keine Kreaturen, die bereits Zugang zum Garten hatten. Es verhindert nur, dass neue hinzukommen.«
»Trickreich«, meinte Seth.
»Die gestrige Nacht war gut geplant«, fuhr Warren fort. »Diese Seuche verbreitet sich nicht willkürlich. Irgendjemand hat einen koordinierten Angriff dirigiert. Das Schlimmste von allem ist, dass die Wichtel das Register an sich gebracht haben, bevor eure Großeltern aufgewacht sind.«
»Oh nein!«, stöhnte Kendra. »Wenn die Wichtel das Register bereits verändert haben, könnte das auch die dunklen Feen erklären.«
»Gutes Argument.« Warren ging rückwärts eine Stufe hinunter und streckte sich. »Schon bald könnte alles Zugang zum Haus haben. Wir müssen weg von hier.«
»Geht es Hugo gut?«, erkundigte sich Seth.
»Der Golem hat die Nächte in einem sicheren Raum in der Scheune verbracht. Euer Opa tut alles, was er kann, um zu verhindern, dass Hugo infiziert wird. Hugo wird kommen, wenn wir rufen. Bis dahin sollte er in der Scheune gut aufgehoben
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