Die Schattenplage
dass einige Leute aus der Verlorenen Mesa es nicht geschafft haben«, sagte Seth leise. »Ich bin froh, dass ich das nicht miterlebt habe.«
»Mir auch«, antwortete Kendra genauso leise.
»Gute Nacht.«
»Nacht.«
»Kendra, Seth, wacht auf, habt keine Angst!« Die Stimme dröhnte durch den dunklen Raum, als käme sie aus den Mauern.
Kendra richtete sich mit trüben Augen, aber wachsam auf. Seth hatte sich bereits auf einen Arm gestützt und blinzelte in die Dunkelheit.
»Kendra, Seth, hier spricht euer Großvater«, sagte die Stimme. Sie klang tatsächlich wie Opa, nur lauter. »Ich spreche von dem geheimen Dachboden aus, wo Dale, Warren, eure Großmutter und ich Zuflucht gesucht haben. Die Wichtel sind infiziert worden und haben sich gegen uns gewandt. Öffnet eure Tür nicht, bis wir am Morgen kommen, um euch zu holen. Ohne Erwachsene in eurem Zimmer seid ihr total sicher. Wir erwarten, dass wir die Nacht hier ebenfalls ohne Zwischenfall überstehen werden.«
Seth starrte Kendra an, ohne ihr dabei direkt in die Augen zu sehen, und ihr wurde klar, dass er sie nicht so deutlich sehen konnte, wie sie ihn sah.
Opa wiederholte die Nachricht und benutzte dabei dieselben Worte, vermutlich für den Fall, dass sie beim ersten Mal nicht wach gewesen waren. Dann übermittelte er ihnen die Botschaft ein drittes Mal und fügte am Ende noch hinzu: »Den Wichteln ist es nur gestattet, sich von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang im Haus aufzuhalten, also werden wir am Morgen evakuieren. Es tut uns leid, dass wir das nicht haben kommen sehen. Die Wichtel sind eine isolierte Gemeinschaft und haben niemals Kontakt zu anderen Geschöpfen von Fabelheim. Ihre Wohnungen unter dem Garten genießen viele der gleichen Schutzmaßnahmen wie dieses Haus. Trotzdem hätten wir wissen sollen, dass die Seuche einen Weg finden würde. Tut mir leid, dass ich euch stören musste. Versucht, noch etwas zu schlafen.«
»Ja, klar«, sagte Seth und knipste die Nachttischlampe an.
»Genau das hat uns noch gefehlt«, seufzte Kendra. »Böse Wichtel.«
»Ich frage mich, wie sie aussehen.«
»Denk nicht mal dran!«
»Ich weiß, natürlich nicht.« Seth stieg aus dem Bett und lief zum Fenster.
»Was machst du da?«
»Etwas überprüfen.« Er zog den Vorhang beiseite. »Tanu ist draußen. Sein Schatten.«
»Wage es nicht, das Fenster zu öffnen!«, befahl Kendra, dann erhob sie sich aus dem Bett und trat neben ihren Bruder.
»Er bedeutet uns zu bleiben, wo wir sind«, berichtete Seth.
Kendra beugte sich über Seths Schulter, konnte auf dem Dach jedoch nichts entdecken. Dann kam eine Fee in Sicht geschwebt; sie leuchtete in einem dunklen Violettton, als würde sie von einem schwarzen Licht angestrahlt.
»Er zeigt auf die Feen und bedeutet mir, das Fenster geschlossen zu halten«, sagte Seth. »Siehst du, direkt hinter dem Dach sind noch mehr Feen. Sie sind schwer zu erkennen, weil sie so dunkel sind.« Er wandte sich in Tanus Richtung, reckte den Daumen hoch und schloss den Vorhang. »Es sind seit einer Weile keine bösen Feen mehr aufgetaucht. Ich wette, das war eine Falle. Die Wichtel sollten uns aus dem Haus treiben, damit die Feen uns verwandeln können.«
»Ich dachte, Opa hätte die Feen aus dem Garten verbannt«, sagte Kendra und machte sich wieder auf den Weg zu ihrem Bett.
Seth begann auf und ab zu gehen. »Es muss aus irgendeinem Grund schiefgegangen sein. Ich wusste gar nicht, dass Opa im ganzen Haus Durchsagen machen kann.«
»Sie haben alle möglichen coolen Sachen auf dem geheimen Dachboden.«
»Schade bloß, dass sie keine Tür zu unserer Seite haben.«
»Es spielt keine Rolle. Sie werden uns morgen früh holen kommen. Wir sollten versuchen zu schlafen. Morgen wird es sicher hektisch werden.«
Seth legte ein Ohr an die Tür. »Ich kann nichts hören.«
»Wahrscheinlich stehen zehn von ihnen geduldig wartend auf der anderen Seite, bereit zuzuschlagen.«
»Wichtel sind halbe Portionen. Ich würde nur schwere Stiefel, Schienbeinschützer und eine Motorsense brauchen.«
Das Bild entlockte Kendra ein Kichern. »Du hast gesagt, die Nipsis wären viel kleiner als Wichtel, aber das hat sie nicht daran gehindert, Newel zu infizieren.«
»Ich schätze, ja«, erwiderte Seth. Er öffnete einen Kleiderschrank und nahm ein paar Sachen heraus.
»Was machst du da?«, fragte Kendra.
»Ich will mich anziehen, für den Fall, dass wir schnell verschwinden müssen.« Als Seth fertig war, ging er zu seinem Bett zurück.
Kendra raffte
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