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Die Schattenplage

Die Schattenplage

Titel: Die Schattenplage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Mull
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Als blicke sie aus großer Höhe hinab, sah sie die Insel um den Schrein, der inmitten von Dunkelheit leuchtete. Das Wasser des Sees hatte sich schwarz gefärbt, und es wimmelte dort von abscheulichen, missgestalteten Najaden. Der Bohlenweg und die Pavillons waren zerfallen; dunkle Feen flatterten zwischen den verrottenden Trümmern umher. Verdunkelte Zwerge, Satyre und Dryaden wanderten zwischen verwelkten Bäumen über ausgedörrte Felder.
    Die Erhaltung des Schreins ist so viel Zerstörung nicht wert. Ich würde lieber einen meiner kostbaren Kontaktpunkte zu deiner Welt verlieren, als mitanzusehen, wie meine Schwestern zu umnachteter Sklaverei verdammt werden. Ich werde die Energie, die diesen Schrein schützt, in einem einzigen Gegenstand konzentrieren. Nachdem ich den Talisman geschmiedet habe, wird mein Einfluss hier nicht länger sein.
    »Ich werde mich dann nicht mehr mit dir in Verbindung setzen können?«, fragte Kendra.
    Nicht von diesem Ort aus. Sobald der Talisman hinter die Hecke gelangt, werden der Teich und die Insel all ihren Schutz verlieren.
    »Was mache ich mit dem Talisman?«, wollte Kendra wissen.
    Halte ihn fest, die Energie in dir wird dir helfen, ihn stabil und aufgeladen zu erhalten. Solange der Talisman sich in deinem Besitz befindet, wird er einen Energieschirm werfen, der dich und jene um dich herum beschützen wird. Wenn du den dunklen Gegenstand mit dem Talisman berührst, werden beide zerstört. Doch sei gewarnt: Wer immer die beiden Gegenstände zusammenführt, wird sterben.
    Kendra schluckte. Ihr Mund wurde trocken. »Muss ich die Person sein, die die beiden Gegenstände anfasst?«
    Nicht unbedingt. Ich würde es vorziehen, wenn du das Unternehmen überlebtest. Doch ganz gleich ob du oder ein anderer die Aufgabe vollbringt, das Opfer wird sich lohnen. Vieles von dem, was verdunkelt wurde, wird zu seinem ursprünglichen Zustand zurückkehren.
    »Können wir deinen Schrein anschließend wieder aufbauen?«, fragte Kendra hoffnungsvoll.
    Dieser Schrein wird für immer zerstört sein.
    »Ich werde nie wieder von dir hören?«
    Nicht hier.
    »Ich würde also einen anderen Schrein finden müssen? Könnte ich mich ihm nähern, wenn ich ihn finde?«
    Kendra spürte Gelächter, vermischt mit Zuneigung. Du fragst dich, warum meine Schreine so stark geschützt sind? Die Kontaktpunkte zu deiner Welt machen mich verletzbar. Wenn das Böse mein Reich findet, werden alle Geschöpfe des Lichts leiden. Um ihres Wohlergehens willen muss ich mein Reich unbesudelt halten, und so bewache ich meine Schreine mit großem Eifer. In der Regel müssen alle Eindringlinge umkommen. Ich gewähre nur selten Ausnahmen.
    »Gewinne ich dadurch Zutritt, dass ich von Feenart bin?«, erkundigte Kendra sich.
    Nicht zwangsläufig. Wenn du jemals einen anderen Schrein findest, suche in deinen Gefühlen nach der Antwort. Du hast genügend Licht in dir, um dich zu leiten.
    »Ich fürchte mich davor, den Nagel zu zerstören«, gestand Kendra. Sie wollte nicht, dass das Gespräch mit der Feenkönigin endete.
    Ebenso widerstrebt es mir, diesen Schrein zu zerstören. Kendra konnte die tiefe Traurigkeit in den Worten spüren. Das Gefühl trieb ihr Tränen in die Augen. Manchmal tun wir, was wir tun müssen.
    »In Ordnung«, sagte Kendra. »Ich werde mein Bestes geben. Eine letzte Frage noch. Wenn ich das hier überlebe, was soll ich dann tun? Als eine der Euren, meine ich.«
    Lebe ein fruchtbares Leben. Widerstehe dem Bösen. Gib mehr, als du nimmst. Hilf anderen, ein Gleiches zu tun. Der Rest wird von selbst folgen. Tritt nun von dem Schrein zurück.
    Kendra ging von der Miniaturstatue weg. Ihre Sicht trübte sich, und eine Flut von Gefühlen überwältigte sie: Sie kostete süßen Honig, knackige Äpfel, fleischige Pilze und reines Wasser; sie roch gepflügte Felder, feuchtes Gras, reife Trauben und würzige Kräuter; sie hörte das Rauschen von Wind, das Tosen von Wellen, das Krachen von Donner und das leise Knacken eines Entenkükens, das sich durch eine Eierschale kämpfte; sie spürte Sonnenlicht auf der Haut und einen sanften, kühlen Nebel. Sie konnte ihre Umgebung nicht sehen, aber sie schmeckte, roch, hörte und fühlte tausend andere Dinge, alle deutlich und unverkennbar.
    Als ihre Sehkraft zurückkehrte, stellte Kendra fest, dass die winzige Feenstatue blendend hell leuchtete. Sie blinzelte und beschirmte instinktiv die Augen, damit das grelle Licht keine dauerhaften Schäden hinterließ. Und als sie wieder hinsah, tat

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