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Die Schattenplage

Die Schattenplage

Titel: Die Schattenplage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Mull
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die Riemen jetzt nur noch flach ein und machte es den Najaden mit schnellen Ruderschlägen schwerer, die Ruder zu packen. Das Boot näherte sich endlich der Insel.
    »Chiatra, Narinda, Ulline, Hyree, Pina, Zolie, Frindle, Jayka!«, rief Lena. »Wie schön das Wasser heute doch ist!«
    Kendra drehte sich um und sah Lena am Rand des Stegs sitzen. Sie lächelte heiter und ließ die Füße ins Wasser baumeln. Seth stand hinter ihr, einen angespannten Ausdruck auf dem Gesicht.
    »Lena, nein!«, rief Patton.
    Lena begann, leise vor sich hin zu summen, und planschte mit nackten Zehen im Wasser. Plötzlich riss sie ihre Füße aus dem Wasser und hüpfte einen Schritt nach hinten, vom Rand des Stegs weg.
    Zwei Hände durchbrachen die Oberfläche des Teichs und betasteten den Fleck, wo Lena eben noch gesessen hatte.
    »Du warst nah dran«, höhnte Lena. »Fast hättest du mich gehabt!« Sie sprang einige Schritte rückwärts über die Holzplanken und tauchte eine Zehe ins Wasser, und wieder zog sie sich gerade rechtzeitig zurück, um einer weiteren Hand auszuweichen.
    »Die Najaden haben noch nie derart beharrliche Anstrengungen unternommen«, murmelte Patton. »Lena versucht, sie abzulenken. Schlag mit dem Ersatzriemen aufs Wasser.«
    Kendra legte sich die Schale in den Schoß, packte den Ersatzriemen in der Mitte des Griffs und begann, energisch abwechselnd zu beiden Seiten des Bootes aufs Wasser zu schlagen. Gelegentlich traf sie mit dem Ruderblatt etwas Hartes, und Kendra hörte Ächzen und Klagen.
    Patton begann die Ruder jetzt tiefer einzutauchen, und das Boot schoss auf die Insel zu. Kendra fasste frischen Mut und schlug noch heftiger aufs Wasser. Sie konzentrierte sich so sehr auf ihre Gegenattacke, dass sie völlig überrascht war, als das Ruderboot auf der Insel auf Grund lief.
    »Steig aus«, befahl Patton.
    Kendra legte den Riemen nieder, griff keuchend nach der Schale und ging zum Bug. Sie zögerte einen Moment lang. Die Tatsache, dass sie die Insel einmal ungestraft betreten hatte, war keine Garantie, dass sie auch einen zweiten Versuch überleben würde. Was, wenn sie sich getäuscht hatte? Unzählige andere vor ihr waren in Löwenzahnsamen verwandelt worden, sobald ihr Fuß das schlammige Ufer berührt hatte. Würde sie dasselbe Schicksal ereilen, würde sie als flauschige Wolke in der Brise davonwehen?
    Andererseits, wenn sie sich dafür entschied, das Risiko nicht einzugehen, würde sie höchstwahrscheinlich den Rest ihrer Tage als Schatten in einem gefallenen, von einem Dämon und einer boshaften Hamadryade beherrschten Reservat verbringen müssen. Im Vergleich dazu schien ein Abgang als Löwenzahnsamen gar nicht mal so schlecht.
    Aber sie hatte ihre Entscheidung bereits getroffen, und jetzt brauchte sie nur noch den Mut, sie auszuführen. Die Najaden konnten das Boot jeden Augenblick wieder ins Wasser ziehen.
    Kendra bereitete sich innerlich auf das Schlimmste vor und sprang vom Ruderboot auf den festen Boden der Insel. Wie bei ihrem letzten Ausflug zum Schrein verspürte sie furchtbare Angst – und wieder wurde sie nicht verwandelt. Nichts deutete darauf hin, dass sie etwas Verbotenes getan hatte. Kendra drehte sich zu Patton um und reckte den Daumen hoch.
    Er erwiderte die Geste, und einen Moment später wurde das Boot zurück ins Wasser gezogen und von neuem herumgewirbelt.
    »Mach dir meinetwegen keine Sorgen«, wies Patton sie unbekümmert an und tauchte die Riemen flach ins Wasser. »Geh und sprich mit der Königin.«
    Bei ihrem letzten Besuch auf der Insel hatte Kendra noch nicht gewusst, wo sich der winzige Schrein befand, und eine ganze Weile suchen müssen. Diesmal zwängte sie sich, ohne zu zögern, mit der Schale in der Hand durch Sträucher und Gestrüpp und näherte sich unbeirrbar ihrem Ziel. Sie fand die kleine Quelle, die in der Mitte der Insel aus dem Boden sprudelte und einen flachen Hang hinunter in den Teich lief. Am Ursprung der Quelle stand die ungefähr fünf Zentimeter hohe, wunderschön geschnitzte Statue einer Fee.
    Kendra kauerte sich hin und stellte die Schale vor das Podest der winzigen Feenfigur. Sie roch den Duft junger Blüten, wie sie nur in fruchtbarer Erde in der Nähe des Meeres blühten. Danke, Kendra. Die Worte entstanden in ihrem Geist, so glasklar, als hätte sie sie gehört.
    »Bist du das?«, flüsterte Kendra, berauscht, so schnell eine Verbindung hergestellt zu haben.
    Ja.
    »Ich kann dich jetzt deutlicher hören als beim letzten Mal.«
    Du bist jetzt von

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