Die Schattenplage
Coulter sie wachrüttelte, war Kendra erleichtert, obwohl ein gewisses Gefühl der Unruhe sie nicht losließ. Offensichtlich war sie wegen des vor ihr liegenden Abends gestresster, als ihr bewusst gewesen war, wenn sie einen so abscheulichen Traum gehabt hatte!
Warren hatte seine Tasche geöffnet und verteilte Roben und Masken. Die langen Roben waren aus einem dünnen, reißfesten Material gemacht, das dunkelgrau schimmerte. »Wir sind fast da«, sagte er.
Kendra öffnete ihren Sicherheitsgurt und zog sich die Robe über den Kopf. Warren reichte ihr eine silberne Maske, während Coulter seine bereits aufsetzte. Alle vier Masken sahen identisch aus. Glatt und glänzend bedeckte die simple, grinsende Maske ihr ganzes Gesicht. Sie fühlte sich ein wenig schwerer an, als Kendra lieb war. Sie klopfte mit den Knöcheln auf die metallische Stirn. »Sind die kugelsicher?«
»Sie sind jedenfalls ziemlich robust«, antwortete Tanu.
»Benutz deine Kapuze«, schlug Coulter vor. Seine Stimme klang durch die Maske ein wenig gedämpft. Er hatte die Kapuze hochgezogen, sodass nichts von seinem Kopf zu sehen war. Er hätte jeder sein können.
Warren reichte Kendra leichte, bequeme Handschuhe, die dieselbe Farbe hatten wie der Umhang, sie zog ihre Schuhe aus und schlüpfte in graue Slipper.
Warren und Tanu setzten ihre Masken auf.
»Wie werde ich euch erkennen?«, fragte Kendra.
»Bei Tanu dürfte es wegen seiner Größe am einfachsten sein«, meinte Warren. »Aber er ist nicht der einzige große Ritter.« Warren hob eine Hand und legte zwei Finger an die Schläfe. »Das ist unser Zeichen. Aber du wirst es nicht brauchen. Wir werden dich im Auge behalten.«
Die Limousine bog von der Straße ab und fuhr über eine glatte Einfahrt durch offene Tore. Flankiert wurde die Einfahrt von weißen Statuen, die junge Frauen in Togen darstellten, bewaffnete Helden, Tiere, Meerjungfrauen und Zentauren. Vor ihnen kam das Herrenhaus in Sicht.
»Eine Burg!«, keuchte Kendra.
Beleuchtet von zahlreichen Fackeln im Innenhof und Dutzenden elektrischer Wandleuchten, ragte die Festung hell in dem schwindenden Zwielicht auf. Ganz aus großen, gelblichen Steinen erbaut, begrüßte die breite Fassade die Ankömmlinge mit zahllosen runden Türmchen verschiedener Höhe, einer heruntergelassenen Zugbrücke, einem hochgezogenen Fallgitter, Spitzbogenfenstern, Schießscharten und Zinnen oben auf den Mauern. Livrierte Diener standen mit Laternen in den Händen in Hab-Acht-Stellung zu beiden Seiten der Zugbrücke.
Kendra wandte sich zu ihren maskierten Gefährten um. »Ich weiß, ihr nennt euch Ritter, aber ist das hier wirklich euer Ernst?«
»Feensammler«, brummte Warren, »sind ein exzentrisches Völkchen, und Wesley und Maryan Fairbanks sind nochmal eine Liga für sich.«
Die Limousine blieb stehen. Der Fahrer öffnete die Tür, die der Zugbrücke zugewandt war. Sie stiegen aus, und Tanu zog den Chauffeur beiseite, wechselte ein paar leise Worte mit ihm und gab ihm Geld.
Ein Diener mit gepuderter Perücke und roten Kniebundhosen über weißen Strümpfen näherte sich und machte eine würdevolle Verbeugung. »Willkommen, verehrte Gäste. Bitte, folgen Sie mir.«
Kendra sah, wie ein zerbeulter weißer Van hinter der Limousine vorfuhr. Der Fahrer trug eine silberne Maske. Auf einer Seite des Grundstücks standen auf einem Rasen zwei Hubschrauber. In einem anderen Bereich parkten einige Dutzend Autos, von Luxuskarossen bis hin zu Kandidaten für den Schrottplatz.
Der kostümierte Diener eskortierte Kendra und ihre Freunde zur Zugbrücke. Die Robe reichte ihr bis zu den Knöcheln, gestattete ihr aber, normal große Schritte zu machen. Die Maske schränkte zwar ihr Gesichtsfeld ein wenig ein, aber ansonsten konnte sie gut sehen.
Die Gruppe kam in einen gepflasterten Innenhof, der von elektrischen Fackeln beleuchtet wurde. Insektenschwärme umkreisten die Lichtquellen. Einige Gruppen in Roben gehüllter Gestalten mit silbernen Masken schlenderten umher und unterhielten sich. Über ihnen hingen Banner und Flaggen schlaff in der stillen Abendluft. Der Diener führte Kendra und die anderen über den Innenhof zu einer schweren, eisenbeschlagenen Tür, öffnete sie mit einem Schlüssel, trat beiseite und verbeugte sich.
Warren ging voran und betrat ein reich geschmücktes Vorzimmer, das als Eingang zu einer höhlenartigen Halle diente. An einer Seite des Vorzimmers stand ein Schreibtisch vor zwei mit Vorhängen verdeckten Nischen, und an dem Schreibtisch
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