Die Schattenplage
zwielichtigen Kaufleuten auf der Spur war, die seine Organe raubten und Stück für Stück verkauften.«
»Ranticus war einer von den zwanzig verlorenen Drachen«, meinte Gavin. »Einer von den wenigen, die niemals Zuflucht in einem Sanktuarium gesucht haben.«
»Wir meinen es nicht böse, dass wir ihn ausstellen«, sagte Hal. »Es geschieht eher aus Respekt als aus irgendeinem anderen Grund. Um zu bewahren, was wir können. Es ist ja nicht so, als würden wir Eintritt verlangen.«
Gavin nickte. »W-W-Wegen meines Dads bedeuten mir Drachen mehr als alle anderen Geschöpfe. Es tut mir leid, wenn meine Reaktion unangemessen war.«
»Es ist nichts Schlimmes passiert. Mir tut es leid, dass ich nicht über deine Herkunft informiert war – dann hätte ich das hier anders gehandhabt.«
»Sie hätten mich zum Beispiel gar nicht hierher gebracht?«, fragte Gavin.
»Du hast mich durchschaut«, gab Hal zu.
»Die Knochen sind wunderschön«, warf Kendra ein und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das fantastische Skelett.
»Stärker und erhabener als alles, was ich kenne«, erwiderte Hal.
Auch Gavin wandte sich wieder dem Ausstellungsstück zu. »Nur andere Drachen können sie vernichten. Die Zeit und die Elemente sind ihnen nicht gewachsen.«
Einige Minuten lang betrachteten sie schweigend die Überreste des Drachen. Kendra hatte das Gefühl, als könnte sie das Skelett für den Rest des Tages anstarren. Es war, als seien sogar die Knochen eines Drachen magisch.
Hal rieb sich seinen runden Bauch. »Hat außer mir noch jemand Lust auf etwas Essbares?«
»Ich könnte etwas vertragen«, antwortete Gavin.
»Wie essen Sie eigentlich mit diesem Schnurrbart?«, fragte Kendra, während sie sich auf den Weg in Richtung Ausgang machten.
Hal strich sich liebevoll über seinen Oberlippenschmuck. »Ich nenne ihn meinen Geschmacksbewahrer.«
»Tut mir leid, dass ich gefragt habe«, erwiderte sie knapp und verzog das Gesicht.
Schweigend verließen sie das Lagerhaus, und Hal schlenderte Richtung Hazienda. »Ich kann ehrlich behaupten, dass ich mich freue, euch beide kennengelernt zu haben«, meinte er, als sie die Vordertür erreichten. »Einer von euch mag ein wenig zimperlich sein, was Zombies angeht, und der andere verspürt eine Spur Mitgefühl für Drachen, aber wir haben alle unsere merkwürdigen Eigenheiten. Und da ich gerade davon spreche: Ich bin doppelt froh, dass ihr hier seid, denn wenn wir Gesellschaft haben, tischt Rosa doppelt so gut auf.«
»Sie mögen Rosa?«, fragte Gavin.
»Ich mag sie sogar sehr«, antwortete Hal. »Schließlich ist sie meine Ehefrau, und ich denke, ich kann mich über mein Los nicht beklagen. Die Verlorene Mesa unterscheidet sich von einigen anderen Reservaten insofern, als sie schon immer einen weiblichen Verwalter hatte. Das hat seine Wurzeln in der Pueblo-Kultur, in der die Frauen den Besitz erben. Ich gehe davon aus, dass Mara in absehbarer Zukunft diese Position übernehmen wird. Sie ist ein zähes Menschenkind – so loyal, wie man es sich nur wünschen kann, aber nicht besonders freundlich.«
Hal öffnete die Tür und führte sie durch einen Flur in ein luftiges Esszimmer. In der Hazienda war es weniger heiß und trocken als draußen. Kendra bemerkte einen großen Verdunstungskühler, der in einem Fenster summte. Warren und Dougan saßen bereits mit Rosa und Mara am Tisch.
»Wir haben uns schon gefragt, wann ihr auftauchen würdet«, sagte Rosa. »Wo hast du sie hingebracht, nach Colorado?«
»Wir waren hier und da«, antwortete Hal ungerührt. »Haben die Zombies gefüttert und so weiter.« Er stibitzte einen blauen Maischip aus einem Korb auf dem Tisch und zog die Hand schnell wieder zurück, bevor Rosa mit einer Schöpfkelle draufschlagen konnte.
»Muss appetitanregend gewesen sein«, bemerkte Warren und warf Kendra einen Blick zu.
»W-W-Wir freuen uns auf etwas zu essen«, meldete Gavin sich zu Wort.
»Und wir freuen uns, euch etwas zu essen zu geben«, antwortete Rosa mit einem Lächeln. »Enchiladasuppe, Tamales und Maispfanne.«
Inzwischen waren auch Tammy und Javier zu Tisch gekommen, und die Schüsseln wurden herumgereicht. Kendra versuchte, nicht an die Zombies zu denken, während Rosa ihr die rötliche Suppe in die Schale löffelte. Das Essen sah anders aus und schmeckte auch anders als die mexikanische Kost, die Kendra bisher kennengelernt hatte. Doch obwohl es ihr ein wenig zu würzig war, schmeckte ihr die Mahlzeit. Das Gespräch beim Abendessen war
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