Die Schattenplage
Mitte des Innenhofs gestanden, damit Opa sich von der Veranda aus mit ihnen unterhalten konnte. Tanu hatte mit zwei nach oben gereckten Daumen angedeutet, dass alles in Ordnung war, und sie hatten Seth bedeutet, ihnen zu folgen. Auch Opa hatten sie eingeladen. Mit Hilfe von Pantomime hatte Coulter ausgedrückt, dass er den Weg auskundschaften würde, während sie durch den Wald gingen, um Begegnungen mit gefährlichen Geschöpfen zu verhindern.
Aber Opa hatte die Einladung abgelehnt und erklärt, dass er sie begleiten würde, falls Tanu und Coulter einen Weg fanden, wie er ihnen ohne Seth folgen konnte. Währenddessen hatte Seth hinter ihm gestanden, verstohlen auf Opa gedeutet und den Kopf geschüttelt, dann zuerst auf sich selbst gezeigt und schließlich auf Tanu und Coulter und ihnen zugezwinkert. Niemand außer Seth hatte gesehen, wie Tanu salutierte, zum Zeichen, dass er die Botschaft verstanden hatte.
Im Haus war es seit einiger Zeit mucksmäuschenstill. Wenn er die Nachricht, die er Tanu und Coulter übermittelt hatte, wahr machen wollte, war jetzt der richtige Moment gekommen. Aber Seth zögerte. Sollte er wirklich eine ausdrückliche Anweisung von Opa missachten und sein Leben den Schattenversionen von Tanu und Coulter anvertrauen? Würden Tanu und Coulter ihm überhaupt erlauben, sich gegen Opas Willen davonzuschleichen? Hoffentlich hatten sie sich überzeugen können, dass die Lage ausreichend sicher war und Opa ihnen allen später danken würde.
Wie sahen die möglichen Szenarien aus? Sie konnten ihn in eine Falle locken. Er könnte sterben oder selbst in einen Schatten verwandelt werden. Andererseits könnte er vielleicht das Rätsel der Seuche lösen, Tanu und Coulter in ihren früheren Zustand zurückführen und Fabelheim retten.
Seth kroch unter seiner Decke hervor, zog seine Schuhe an und begann sie zuzubinden. Die Quintessenz war, dass Opa bereit gewesen wäre, sein Leben auf die Chance hin zu riskieren, dass die Schatten von Tanu und Coulter ihnen wichtige Hilfe leisten wollten. Er wäre ihnen gefolgt, hätte er das allein tun können. Er war lediglich nicht bereit, Seths Leben aufs Spiel zu setzen. Für Seth bewies das, dass es sich lohnte, das Risiko einzugehen. Wenn Opa ihn zu sehr liebte, um ihn ein lohnendes Risiko eingehen zu lassen, dann würde er eben Opas Anweisungen trotzen.
Als die Schuhe zugebunden waren, zog Seth seine Notausrüstung unter dem Bett hervor. Dann schlich er auf Zehenspitzen die Dachbodentreppe hinunter und zuckte bei jedem Knarren zusammen. Als er den Fuß der Treppe erreichte, war das Haus immer noch dunkel und still. Seth eilte durch den Flur und die Treppe hinunter in die Eingangshalle. Er stahl sich in Opas Arbeitszimmer, schaltete die Schreibtischlampe ein und durchstöberte Tanus Beutel mit Zaubertränken. Nachdem er mehrere Flaschen untersucht hatte, fand Seth die, die er wollte, schnappte sie sich und verschloss den Beutel wieder.
Er schaltete das Licht aus, stahl sich zur Hintertür und schlüpfte hinaus ins silberne Mondlicht. »Tanu?«, flüsterte er. »Coulter?«
Zwei menschenähnliche Schatten kamen hinter einer Hecke hervor, einer ein gutes Stück größer und breiter als der andere.
Seth stieg über das Geländer der Veranda und ließ sich auf den Rasen fallen.
Sofort kamen zwei weitere Gestalten auf ihn zugeschossen, eine viel größer noch als Tanu, die andere nur ein wenig größer als Coulter.
Seth entkorkte den Zaubertrank aus Tanus Beutel und schluckte den Inhalt. Als Mendigo und Hugo ihn erreichten, raste ein schäumendes Kribbeln durch seine Glieder, und er schwebte in der Luft, eine dunstige Version seiner selbst.
Mendigo und Hugo versuchten vergeblich, ihn in die Hände zu bekommen.
Natürlich hatte Opa ihm nicht vertraut. Natürlich hatten Mendigo und Hugo Seth mit der Anweisung aufgelauert, ihn daran zu hindern, den Garten zu verlassen. War es Seths Schuld, dass Opa es versäumt hatte, Tanus Zaubertränke zu verstecken?
Coulter und Tanu bedeuteten Seth, ihnen zu folgen.
Er zwang sich, sich in Bewegung zu setzen, und driftete hinter ihnen her, so schnell er konnte. Mendigo blieb bei ihm und versuchte unablässig, ihn zu packen, so dass alle Stellen, an denen seine hölzernen Hände Seth berührten, wie verrückt kribbelten. Er kam frustrierend langsam voran. Hugo ging unterdessen zum Haus und begann an die Wand zu hämmern.
Seth versuchte, die Lichter zu ignorieren, die drinnen angingen, und hatte den Wald fast erreicht, als Dale
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