Die Schattenritter: Kuss der Dunkelheit
fiel ihre ängstliche Miene auf. »Ich will aber auch, dass du mir den Rücken freihältst. Erledige die Vampire so schnell wie möglich, und komm dann zu mir. Ich brauche dich vielleicht.« In Momenten wie diesem lag es ihm fern, Mut vorzutäuschen. Ihre Leben waren nicht die einzigen, die hier auf dem Spiel standen. Und solche Situationen waren selten einfach zu lösen. Wären sie es, stünden sie beide allein gegen den Nosferatu da draußen.
»Wir gehen übers Dach und nähern uns von hinten derStraße. Damit wird der Nosferatu nicht rechnen«, erklärte er, nahm sich ein großes Kampfschwert und ging zum verborgenen Treppenaufgang.
»Bishop?«
Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. Da stand sie, seine kleine Kriegerin, bereit und dennoch seltsam zögernd. »Was ist?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nichts. Sei bitte vorsichtig, ja?«
Das war nicht, was sie ihm eigentlich sagen wollte, aber darüber würde er jetzt nicht weiter nachdenken, denn er musste sich auf den bevorstehenden Kampf konzentrieren. »Du auch.«
Sie stiegen die Treppe hinauf, schlichen quer übers Dach und sprangen in den Garten nach hinten hinaus. Schreie hallten durch die Nacht, und Bishop war froh, dass Marikas Großmutter in Sicherheit war. Auch wenn Marika glaubte, ihre Männer würden der alten Frau nichts tun, traute Bishop ihnen durchaus zu, die Vampire zu Irina zu führen. Und diese wiederum hätten keinerlei Skrupel, sie zu benutzen, um an Marika heranzukommen – was ihnen zweifellos gelänge. In ihrem rasenden Zorn würde Marika ihnen direkt in die Hand spielen.
Er fühlte sie hinter sich, ein warmer Schatten, der sich geschmeidig und lautlos mit ihm durch die Nacht bewegte. Leute rannten durch die Straße, gejagt von Vampiren. Männer kämpften, Kinder weinten, Frauen versuchten, sie beide zu retten. Wenn genügend Anwohner antraten, könnten sie eher gewinnen. Bishop hoffte, dass Floareas Ehemann tat, worum er ihn gebeten hatte, und sämtliche Burschen und sonstigen Bediensteten mit einspannte.Und nicht zuletzt dürfte der Lärm einige zusätzliche Kämpfer aus den Betten holen.
Kurz bevor sie auf die Straße kamen, wo der Nosferatu geduldig wartete, regungslos wie eine Statue, wandte Bishop sich zu Marika um. Er musste sie küssen. Einen letzten Kuss, ehe sie in die Schlacht zogen. Einen letzten Kuss für den Fall, dass er ihre Lippen nie wieder schmecken könnte. Der Nosferatu wartete auf sie, und Bishop war bereit, sein Leben zu geben, damit dieses Monstrum sie nicht bekam.
Sie klammerte sich an ihn und erwiderte seinen Kuss mit einer Mischung aus Verzweiflung, Angst und Hoffnung.
»Wir werden dieses Ding töten!«, sagte er, als sie sich aus ihrer Umarmung lösten. »Ziele auf das Herz oder den Kopf, genau wie bei jedem anderen Vampir. Falls du kannst, trenn ihm den Kopf ab, aber achte darauf, nicht mit seinem Blut in Berührung zu kommen! Es könnte dich verbrennen.«
»Erst die Vampire, dann der Nosferatu. Sein Blut meiden«, wiederholte sie. Ihr Gesicht war kreidebleich, aber ihr Blick fest und konzentriert. »Sonst noch etwas?«
»Ja, ich möchte, dass du zu mir kommst, nachdem das hier vorbei ist. Also, bleib am Leben!«
Marika sah zu ihm auf und lächelte matt. »Du auch.«
Um sie herum herrschte gellendes Chaos, und dennoch schien sie eine Art unsichtbare Barriere zu umgeben, die sie vom dichten Kampfgewühl abschirmte. Es gab nur sie beide.
Und das Monstrum.
Mit dem hell erleuchteten Gesicht gab der Nosferatueine beängstigende Kreatur ab. Als Mann war er durchschnittlich groß und gebaut gewesen, woran auch seine Wandlung nichts geändert hatte. Allerdings war er nun stärker und schneller als jeder Mensch, und seine Züge hatten sich unter dem Einfluss des vergifteten Blutes zu einer scheußlichen Fratze gewandelt.
Auf den hohen Wangenknochen schimmerte die gespannte Haut weißlich, und die gelben Augen unter den dichten gebogenen Brauen waren überproportional groß. Das Verstörendste indessen war sein Mund. Blutrote Lippen umrahmten Reißzähne, die sich nicht mehr einzogen und ungefähr dieselbe Größe wie die von Bären hatten.
Um die Zähne machte Bishop sich jedoch weniger Sorgen. Er fürchtete vor allem das Blut des Nosferatu. Es konnte sich schlimmer als Silber und Weihwasser säuregleich durch seine Haut ätzen, ihm Narben beibringen und ihn vergiften. Wenn er zu viel davon abbekam und es nicht schnell genug wieder loswurde, könnte es ihn ebenfalls zu einem Nosferatu machen.
Und falls
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