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Die Schattenritter: Kuss der Dunkelheit

Titel: Die Schattenritter: Kuss der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Smith
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beobachtete, wie ein einzelner Mann in seinen Kerker kam. Vielleicht hätte er aufmerksamer sein müssen, weniger optimistisch, aber nach sechshundert Jahren war es ihm verhältnismäßig egal, ob er lebte oder starb.Was nicht bedeutete, dass er kampflos seinem Ende entgegenginge, doch er fürchtete sich auch nicht davor.
    Der Mann war groß, hellhaarig und wie ein Arbeiter oder Krieger gebaut, was Bishop zu respektieren wusste. Unten an der Treppe blieb er im sicheren Sonnenlicht stehen und starrte Bishop an.
    Schweigend hielt dieser seinem Blick stand. Nachdem Minuten vergangen waren, in denen der Fremde weder etwas gesagt noch sich bewegt hatte – er tat überhaupt nichts außer atmen und blinzeln –, sprach Bishop ihn schließlich an:
»Ce este?«
    Der Mann zuckte mit den Schultern. »Ich wollte nur einmal nachsehen.« Sein Rumänisch klang rustikal, aber nicht nach einem Bauern. Wie seine Herrin musste dieser Mann eine höhere Schulbildung genossen haben. Die Jägerin sprach überdies so gut Englisch, dass Bishop wetten würde, sie entstammte einer wohlhabenden Familie.
    »Das haben Sie«, sagte Bishop und lüpfte eine Braue. »Fertig?«
    »Mein ganzes Leben habe ich die Geschichte gehört, wie Sie aus dem Land vertrieben wurden.«
    Schlagartig biss Bishop die Zähne zusammen. »Was ist mit meiner Frau? Haben Sie auch gehört, was mit ihr passierte?«
    »Ja. Sie haben sie geopfert, um Ihre eigene Haut zu retten«, antwortete der Mann mit solcher Überzeugung, dass Bishop es beinahe selbst glauben wollte.
    »Denken Sie wirklich, ich müsste mich hinter einer Frau verstecken?«
    Der Mann starrte ihn bloß weiter an. Ob er meinte, dass Bishop ihn zum Mittagessen vertilgen könnte, ohneauch nur einen Hauch von Reue zu empfinden? Nun, im Moment wäre das sehr gut möglich.
    »Nein«, antwortete der Fremde nach einer Weile, »aber das ändert nichts mehr, oder?«
    »Nein.« Ein schmerzlicher Stich durchfuhr Bishops Brust. Arme Elisabetta! Für sie änderte es nichts, nicht mehr.
    »Sie sind eine Legende«, fuhr der Mann fort. Wollte er denn gar nicht wieder gehen? »Ich hätte Sie mir furchterregender vorgestellt.«
    Grinsend streckte Bishop ihm einen gefesselten Arm hin. »Befreien Sie mich, dann zeige ich Ihnen, wie furchterregend ich sein kann!«
    Tatsächlich wurde der andere kreidebleich.
    »Ihr müsst mir Nahrung geben. Das ist euch hoffentlich klar.«
    Nun runzelte der Mann die Stirn. »Ich weiß nicht …«
    »Verhungert werde ich eurer Herrin nicht viel nützen.«
    Das schien dem anderen einzuleuchten. »Ich sage Bescheid, dass Ihnen etwas gebracht werden soll.«
    Gut, dann musste er sich keine Sorgen machen, jemanden töten zu müssen. »Danke. Und jetzt verschwinden Sie!«
    Entgegen Bishops Erwartung ging er nicht. Bei aller Bildung war er anscheinend dumm wie Bohnenstroh. Bishop zerrte an seinen Ketten, als wollte er von der Pritsche springen, worauf das Silberkreuz über ihm hin und her pendelte, ihn jedoch nicht berührte.
    Sogleich zuckte sein Besucher zusammen, machte auf dem Absatz kehrt und rannte die Treppe hinauf. Sekundenspäter fiel die Kellerluke mit einem lauten Knall zu und tauchte die Zelle erneut in tiefe Dunkelheit.
    Wieder allein, streckte Bishop sich lächelnd auf seinem Bett aus. Er hatte wenig Grund, amüsiert zu sein, aber manchmal war es schlicht angenehm, zu wissen, wie furchteinflößend er war.
     
    »Die meisten Dhampire sterben kurz nach der Geburt, wussten Sie das?«
    Die Frau, von der er nicht einmal den Namen kannte, sah ihn nicht an, als sie abends mit einem Teller mit Essen und einem Krug Leichtbier in seine Zelle kam. Auf seine Bemerkung hin jedoch warf sie ihm unwillkürlich einen Blick zu.
    Er lag auf dem Bett, die Hände sittsam über dem Bauch gefaltet. »Ihre Mutter muss bei Ihnen alle erdenklichen Vorkehrungen getroffen haben, dass Sie überlebten.«
    Stumm stellte sie Teller und Krug gerade außerhalb seiner Reichweite auf den Boden, richtete sich wieder auf und schob beides mit dem Fuß näher zu ihm.
    »Ich wurde von meiner Großmutter aufgezogen.«
    Interessant. War ihre Mutter gestorben, oder hatte sie das Baby nicht gewollt, das zur Hälfte ein Vampir war? »Dann hat sie sich offensichtlich gut um Sie gekümmert.«
    »Hat sie.«
    Einen Moment lang betrachtete er sie schweigend. Ihre schmale Nase war an der Spitze ganz leicht nach oben gebogen, und sie hatte sinnlich runde Lippen. Wären die Umstände andere, hätte er sie wohl attraktiv, vielleicht sogar

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