Die Schattenseherin: Roman (German Edition)
und schrien. All diese Klänge woben einen einzigartigen Klangteppich, von dem Zoe sich mit geschlossenen Augen tragen lassen konnte, und unter dem sie sich gleichzeitig verbarg. Trotz all dieser Menschen war sie allein und wartete auf Adrian, während sie ihren Gedanken nachhing. Die meisten hatten mit diesem Morgen zu tun. Sie hatte sich körperlich entspannt gefühlt, was selten passierte, da Zoe sich im Schlaf oft hin und her warf. Vor allem seit der Trennung von Adrian. Aber irgendetwas hatte sie in dieser Nacht abgelenkt und dafür gesorgt, dass sie ausgeruht erwachte. Was allerdings nicht mit ihrem Kopf in Einklang zu bringen war. Das Zusammentreffen mit Adrian am Tag zuvor, der Fund der schönen, toten Frau in der Agentur und das Nacherleben ihres Todes – das alles schwirrte immer wieder durch ihren Kopf. Am schlimmsten war, dass Zoe sich des Gefühls nicht erwehren konnte, dass sie irgendetwas Wichtiges vergessen hatte. Etwas, was eine Lösung für all die verworrenen Fäden in ihrem Leben darstellte, aber wann immer sie den Finger darauf legen wollte, verschwand es wieder, wie ein schlüpfriger Fisch von der Angel.
Die Tür des Cafés wurde aufgeschoben, und Adrian erschien im Türrahmen. Sein Blick glitt suchend über die Gäste, und Zoe glaubte, etwas Gehetztes darin zu sehen. Als ihre Blicke sich kreuzten, lächelte er erleichtert, doch das Lächeln verschwand schlagartig, als Zoe es nicht erwiderte. Sie stellte den Kaffeebecher ab und wartete ab, bis Adrian sich durch die Menschen hindurchgezwängt und an ihren Tisch gesetzt hatte. Er nahm seinen Schal ab und nickte in Richtung ihres Bechers. »Milchkaffee und zwei Stück Zucker?«, fragte er, obwohl sie beide wussten, dass Zoe ihren Kaffee immer auf diese Weise trank.
Daher zuckte sie nur mit den Schultern und machte auch keine Anstalten, ihm etwas von ihrem Getränk anzubieten. Ihre ablehnende Haltung schien Adrian zu überraschen. »Was ist los?«, fragte er.
Einen Moment lang war Zoe versucht, ihn anzuschreien. Sie wollte ihm die letzten Monate voller Einsamkeit, Wut und Sehnsucht einfach an den Kopf werfen, ihn so lange anbrüllen, bis er endlich verstand, wie sehr er sie verletzt hatte und wie sehr es sie immer noch verletzte, dass er dachte, bei jeder Gelegenheit so tun zu können, als wäre es zwischen ihnen wie früher. Als wären sie wieder ein Paar.
Doch sie schwieg. Zoe hatte bereits geschrien, sie hatte geweint und sich auch immer wieder stumm gefragt, warum sie die Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen konnte. Warum sie nicht einfach ging, jeden Kontakt zu ihm abbrach oder ihm endlich verzieh und wieder mit ihm zusammenkam. Eine Antwort hatte sie bis heute nicht gefunden.
Adrian beugte sich über den Tisch, seine Hand nah an der ihren, doch er berührte sie nicht. Nur die Wärme seiner Haut war spürbar. »Warum hast du mich hierherbestellt, Zoe?«, raunte er, und die Worte unterwanderten den dichten Teppich aus Gesprächen, Bestellungen und Lärm, glitten direkt in Zoes Ohr. Die leise Hoffnung darin war trotz ihrer eigenen Kälte noch immer deutlich zu spüren. Adrian dachte, sie hätte ihn aus privaten Gründen angerufen.
»Weil ich deine Hilfe brauche. Es geht um eine Information, die du mir beschaffen musst«, stellte sie so emotionslos wie möglich klar und spürte, wie diese Mauer sie ein wenig ruhiger werden ließ, auch wenn Adrians verletzter Blick sie traf.
»Mehr nicht?«
»Nein.«
Er fuhr sich durch die Haare und sah auf den Verkehr, der sich an der Außenscheibe des Cafés vorbeischlängelte. »Um was für eine Information geht es?«
»Der Mann, der mich gestern auf der Wache angegriffen hat – du wusstest, wer er ist. Ich brauche alle Informationen über ihn.«
Adrian biss die Zähne zusammen. »Ich kann dir diese Infos nicht einfach so geben.«
Zoe umfasste den Henkel ihrer Tasse und schob sie hin und her. »Du schuldest mir etwas, Adrian«, sagte sie und hasste sich selbst im nächsten Augenblick, dass sie ausgerechnet diese Karte ausspielte. Wann war sie so skrupellos geworden?
Adrian sah aus, als hätte er gerade einen Schlag abbekommen. »Einmal kann ich das tun. Aber danach nie wieder«, stellte er klar. Zoe nickte. Ihre Hände waren kalt, der Kaffee ebenso. Sie schob ihn von sich, nahm ihre Tasche und wollte aufstehen. Adrians Finger schlossen sich um ihr Handgelenk und hielten sie zurück. »Es war damals ein Fehler, sieh das doch bitte endlich ein.«
Zoe entwand ihm ihr Handgelenk, blieb aber
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