Die Schattenseherin: Roman (German Edition)
einen Moment länger sitzen. »Was macht das für einen Unterschied? Du hast diesen Fehler trotz allem gemacht.«
Adrian sah ihr fest in die Augen. »Das habe ich. Und ich bereue es immer noch schwer. Aber du musst mir glauben, dass ich es nicht gemacht habe, weil ich dich nicht geliebt habe!«
Die Kälte löste sich auf, aber diesmal trat nicht die übliche Sehnsucht und der übliche Schmerz an ihre Stelle. Zoe fühlte sich leer, als wäre etwas in ihr all der Trauer müde. »Das glaube ich dir sogar«, erwiderte sie mit tonloser Stimme. »Aber verstehst du nicht, dass es deinen Verrat nur schlimmer macht? Du hast mich geliebt, aber das hat dich nicht davon abgehalten, mit meiner Freundin zu schlafen. Du wusstest, was du mir damit antust. Ich habe dir vertraut wie keinem anderen Menschen sonst, du wusstest, wie viel du mir bedeutet hast. Du wusstest, was es für mich bedeuten würde, wenn ausgerechnet du mein Vertrauen missbrauchst. Aber das alles hat dich nicht davon abgehalten, sie einfach mit in unsere Wohnung zu nehmen und in unserem Bett mit ihr zu schlafen.«
Zoe schüttelte den Kopf. »Wenn du mich wirklich so sehr geliebt hast, wie konntest du mir dann ausgerechnet das antun?«
Adrian schwieg. Zoe wartete nicht darauf, dass er eine Antwort fand, und verließ mit schnellen Schritten das Café.
Sanftes karmesinrotes Licht erfüllte den Raum. Es war unglaublich schwer gewesen, ausgerechnet diese roten Glühbirnen zu finden, die das Zimmer nicht gleich in eine Bordellkulisse verwandelten, sondern für Wärme und Geborgenheit sorgten. Zoe hatte zusätzlich zu diesem Licht noch dicke Kerzen angezündet. Die Atmosphäre des Raums beruhigte sie ein wenig, und Zoe hoffte, dass ihr Kopf bald lange genug Ruhe gab, damit sie einschlafen konnte. Sie war noch immer unruhig, und die körperliche Ausgeglichenheit des Morgens hatte sich längst wieder verflüchtigt. Während des Tages, an dem sie kleinere Aufträge abgehandelt hatte, waren ihre Gedanken immer wieder um die gleichen Dinge gekreist, und sie befürchtete, dass die kommende Nacht wieder unruhig werden würde. Dem wollte sie so gut es ging entgegenwirken. Das Licht half, der Brandy neben dem Bett hoffentlich auch.
Zoe seufzte unmerklich und nippte an dem Alkohol, verzog das Gesicht und kippte ihn dann ganz hinunter. Sie fuhr sich über das Gesicht und zog sich aus. Ausnahmsweise nackt glitt sie unter die dichte Daunendecke und drehte sich zur Seite. Ihr Blick fiel auf das zweite Kissen und die, wie es schien, riesige Fläche des Bettes. Nach Adrians Betrug hatte sie ein neues gekauft, aber es hatte nicht viel geholfen. Sie fühlte sich so nur wie ein winziges, einsames Boot in einem viel zu großen Meer aus Laken, Decken und Kissen.
Zoe streckte den Arm aus und fuhr über die leere Seite neben sich. Wie lange war es her, seit sie mit Adrian geschlafen hatte? Sechs Monate? Sieben? Auch wenn sie für sich beschlossen hatte, sich niemals wieder in eine Beziehung mit Adrian hineinzumanövrieren, war ihr Körper anderer Meinung. Sie vermisste die Nähe, die Zärtlichkeit, aber auch die Leidenschaft. Was auch immer Adrian sonst gewesen war, er war zweifelsohne ein hervorragender Liebhaber.
Ohne es wirklich zu merken, hatte Zoe ihre Hand wieder zu sich gleiten lassen und streichelte abwesend ihren eigenen flachen Bauch mit der weißen Haut. Adrian hatte sie geliebt – wie Porzellan, hatte er immer gesagt.
Sie schluckte hart und versuchte, die aufwallende körperliche Erregung zu verdrängen. Diese Zeiten würden niemals wiederkommen. Dafür hatte sie spätestens heute gesorgt.
Zoe schloss die Augen. Sie rechnete damit, sich noch weiter unruhig herumzuwälzen, doch nach nur wenigen Atemzügen war sie eingeschlafen.
Im Traum ging sie einen Gang entlang. Er war mit Marmor ausgekleidet. Der Stein fühlte sich kühl auf ihren nackten Fußsohlen an und bereitete ihr Gänsehaut auf den nackten Armen. Ein Tuch war um ihren Körper gewickelt, blutrot und weich fallend. Mit jedem Schritt, den sie tat, schwang es mit und tanzte zu unhörbarer Musik um ihren Körper.
Langsam ging Zoe weiter den Gang entlang. Jemand wartete auf sie, das spürte sie deutlich. Und sie musste sich beeilen. Zeit war wichtig. Warum, wusste sie selbst nicht zu sagen.
Ihr Weg endete an einer schlichten Tür. Ohne Zögern schob Zoe sie auf und sah hindurch. Dahinter war kein Zimmer, sondern eine nächtliche Wiese, die an einem dichten Waldrand endete. An der Stelle, an der Wald und Wiese
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