Die Schattenseherin: Roman (German Edition)
bin ein Inkubus. Wenn es etwas gibt, womit ich mich auskenne, dann mit Frauen.‹
Das war so absurd und doch so logisch, dass Cale lachen musste. Er warf den Kopf zurück und spürte, wie seine Bauchmuskeln sich anspannten. Der Schmerz ließ ihn aufstöhnen, was ihn wieder zum Lachen reizte, und so hallten abwechselnd Schreie und Lachen überlaut von den gekachelten Wänden. Schließlich lehnte er den Hinterkopf an die Wand und schloss die Augen. Er atmete tief durch. »Verdammter Bastard«, schnaufte er.
›So wie du‹ , erwiderte Caes trocken, wurde aber wieder ernst. › Lass uns das hier zu Ende bringen. Ich habe dir damals die Frau genommen, aber jetzt habe ich auch eine Geliebte verloren. Hilf mir, ihren Mörder zu finden, und ich werde versuchen, auch meinen Fehler wiedergutzumachen.‹
Das war ein derart großes Eingeständnis des Dämons, dass Cale Schwierigkeiten hatte, direkt zu antworten. Als er es tat, war seine Stimme rau. ›Eloise ist tot. Diesen Fehler kannst du nicht wiedergutmachen. Und ich weiß auch nicht, ob ich die Vergangenheit einfach so zurückwill.‹
›Ich spreche nicht von Eloise. Ich spreche von Zoe.‹
Cale wusste nicht, was er antworten sollte. Er kam auch gar nicht mehr zu einer Antwort, denn in diesem Augenblick wurde die Badezimmertür aufgeschoben, und Neils Gestalt füllte den Türrahmen aus. Cale entspannte sich unwillkürlich. Der Nephilim sah abschätzend auf das blutige Handtuch und dann wieder auf Cale. »Will ich wirklich wissen, was da passiert ist?«, brummte er.
Cale zuckte mit den Schultern und bereute es im nächsten Moment sofort wieder. »Ich hätte auf deinen Rat hören sollen«, gab er kleinlaut zu. »Ich bin im Sin tatsächlich einem Polizisten in die Arme gelaufen.«
Neil deutete mit einem Kopfnicken auf das blutbesudelte Handtuch in der Wanne. »Und du wartest eine ganze Nacht, bis du dich verarztest?«
»Du bist gestern Abend ja nicht mehr aufgetaucht, um Krankenschwester zu spielen«, versuchte Cale von einer Antwort abzulenken, aber Neil kannte ihn gut genug. Er musterte ihn nur mit gehobener Augenbraue, bis Cale aufgab. »Ich war erschöpft, und die Wunden waren schwerer als gedacht. Ich bin direkt ins Koma gefallen.«
Koma bedeutete unter Dämonen nichts anderes als sehr tiefer Schlaf, in dem der Körper sich nach Verletzungen, Gifteinnahme oder anderen schädlichen Dingen regenerierte. Koma bedeutete aber auch, dass der Dämon sich unvorsichtigerweise nicht genug gestärkt hatte, und das konnte gefährlich werden. War der Körper zu schwach, konnte ein solches Koma Jahre oder gar Jahrzehnte anhalten.
Neils Miene zeigte nur zu deutlich, was er von Cales Koma hielt, aber dankbarerweise verkniff er sich einen Kommentar. »Hast du denn zumindest das im Sin gefunden, was du gesucht hast?«
Cale wollte gerade nicken, als ihm etwas einfiel: Er hatte sein teuer erkauftes Amulett im Sin verloren! Es musste noch irgendwo bei Simias’ Sachen liegen. Cale hatte es versehentlich fallen lassen und war anschließend zu sehr damit beschäftigt gewesen, zu fliehen, als dass er an das Amulett gedacht hätte. Er stöhnte leise und fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. »Ich Vollidiot!«, schimpfte er lauthals. Was ihm nur einen weiteren skeptischen Blick des Nephilim einbrachte.
Mühsam raffte Cale sich auf und wankte in Richtung der Tür, als er es hörte: Zoes Stimme, laut und klar. Und sie rief seinen Namen.
»Bitte, lassen Sie mich endlich runter!« Zoe hasste den flehentlichen Klang ihrer Stimme, aber wenn sie etwas richtig hasste, dann waren es große Höhen. Und in den Armen eines Engels über den Dächern ihrer Heimatstadt war es wirklich sehr hoch. Dumas hörte aber noch immer nicht auf ihren Protest. Er glitt weiter durch den Himmel, anscheinend unsichtbar für all die Menschen unter ihnen. Es war helllichter Tag, aber niemand schien den halbnackten Mann mit den ruhig schlagenden Schwingen auch nur zu bemerken.
Sie wusste nicht, wie lange sie schon so flogen, aber für Zoe konnte dieser Flug nicht schnell genug vorbei sein. Sie wollte endlich wieder sicheren Boden unter den Füßen haben. Dabei wusste sie nicht einmal, wo genau sie sich befand. Die Häuser unter ihr wirkten nicht einmal annähernd vertraut, was unter anderem auch daran lag, dass Zoe sich nicht traute, länger als den Bruchteil einer Sekunde hinunterzuschauen.
Die meiste Zeit hielt sie sich einfach an Dumas’ Hals geklammert, den das nicht im Mindesten zu beeindrucken
Weitere Kostenlose Bücher