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Die Schattenseherin: Roman (German Edition)

Die Schattenseherin: Roman (German Edition)

Titel: Die Schattenseherin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Hunter
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treffen könnten. Nachdem er diesen Bericht geschrieben hatte. Das würde als Plan funktionieren – genau so würde er es machen. Erst der Bericht, dann der Anruf bei Zoe. Er legte das Handy zurück und streifte mit dem Arm seine leere Tasse. Das klang nach einem noch besseren Plan – eine Tasse Kaffee, dann der Bericht und dann Zoe. Immerhin war es bereits weit nach Mitternacht, und Adrian war allein auf der Wache.
    Müde stand er auf und ging, die Tasse in der Hand, in die kleine Gemeinschaftsküche, in der immer Kaffee in der Kanne zu finden war. Heißer Kaffee, schwarz und so stark, dass darin ein Löffel stecken konnte. Adrian goss sich seine Tasse voll.
    Mit einem Schlag wurde es dunkel. Im Nebenraum, aus der Richtung seines Schreibtisches, ertönte lautes Schaben und dann ein Kratzen. Adrian schrak zusammen, und seine Tasse rutschte ihm aus der Hand. Für einen atemlosen Moment war alles ruhig, und dann zerschellte das Keramik auf dem gefliesten Boden. Adrian spürte heißen Kaffee, der den Stoff seiner Hose durchtränkte, und wich fluchend zurück.
    Das Schaben wiederholte sich und brach dann abrupt ab. Adrian versuchte, sich so gut es ging zu sammeln. Jemand oder etwas war in der Wache, auch wenn er niemanden durch den schlauchartigen Flur hatte gehen sehen. Es war unmöglich, in die Wache einzudringen, ohne dass er denjenigen gesehen hätte. Vielleicht war durch eines der angelehnten Fenster eine Taube hereingeflogen? Adrian wusste es nicht zu sagen, aber seine Sinne vibrierten. Er tastete sich in den Flur vor und von dort weiter zum Sicherungskasten, um die Sicherung wieder herunterzudrücken. Es klackte, als er das tat, aber nichts geschah. In der gesamten Wache war es noch immer stockdunkel. Nun stutzte Adrian doch. Normalerweise war, selbst wenn alle Lichter aus waren, zumindest ein Schimmer der Straßenlaterne vor dem Fenster in Adrians Büro zu sehen. Aber sogar der fehlte. Etwas schien ihn verschluckt zu haben – oder jemand.
    Die Finsternis fühlte sich plötzlich dichter an, gewann eine Konsistenz wie Öl. Adrian tastete zu der Waffe an seiner Hüfte und schlich sich so vorsichtig wie möglich in sein Büro.
    »Ist dort jemand?«, rief er und hielt die Waffe vor sich. Etwas bewegte sich. Er konnte es nicht sehen, spürte aber mit einem Mal überdeutlich eine weitere Präsenz im Raum. »Identifizieren Sie sich!«
    Der Jemand oder das Etwas bewegte sich vom Tisch herunter, schnell und geschmeidig. Adrian wagte nicht, blind zu schießen, aber seine Hilflosigkeit machte ihn krank. Das Wissen, vollkommen schutzlos mit einem Gegner in einem Raum zu sein, der offensichtlich besser sah als er selbst, behagte ihm gar nicht. Er musste irgendetwas tun.
    Adrian senkte den Kopf zwischen die Schultern und warf sich blind einfach nach vorne. Er traf nicht, wie erwartet, den Schreibtisch, sondern etwas Massiges, Riesiges. Augen glühten in der Dunkelheit auf, und ein Umriss, noch schwärzer als die Finsternis, erhob sich vor Adrian. Er überragte den Polizisten um mindestens einen Kopf, und etwas wie ein ausgebreiteter Umhang oder Schwingen breitete sich dahinter aus.
    Adrians Instinkte übernahmen das Agieren. Er drückte ab, und die Kugeln schossen mit lautem Knall aus der Trommel, doch er hörte keinen Aufprall. Noch immer stand der Schatten bedrohlich vor ihm, völlig unbeeindruckt von den Geschossen, die ihn mit Sicherheit getroffen haben mussten.
    »Verdammt, sind denn heute alle unverwundbar?«, knurrte Adrian und holte aus. Sein Schlag wurde von einer pechschwarzen Faust aufgehalten, und diese Faust drückte unbarmherzig zu. Adrian keuchte und ging in die Knie. Es knackte laut, als die Knochen brachen, und er heulte vor Schmerz auf.
    Mit einem Mal löste die Hand sich, doch der Schmerz blieb. Adrian versuchte, sich auf seinen Angreifer zu konzentrieren, doch seine gebrochene Hand machte ihm das Denken schwer. Der Schatten beugte sich wieder über den Schreibtisch, und es klimperte leise. Mit einem Mal leuchtete etwas in der Dunkelheit auf, riss sie förmlich auseinander und strahlte heller, als jede Lampe in diesem Raum es vermocht hätte. Es war das seltsame Amulett, das Adrian nur kurz zuvor in der Hand gehalten hatte.
    Und im Licht dieses Amuletts sah Adrian das Gesicht seines Angreifers. Es war schön. Er hatte niemals zuvor einen Mann als schön bezeichnet und würde es sicherlich auch freiwillig niemals tun, aber es gab kein anderes Wort für das, was er sah. Sein Angreifer war wunderschön. Doch

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