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Die Schattenseherin: Roman (German Edition)

Die Schattenseherin: Roman (German Edition)

Titel: Die Schattenseherin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Hunter
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Kopf zu schütteln, nickte dann aber. »Irgendein Irrer ist heute Nacht in die Wache eingebrochen. Anscheinend war er auf einige der Beweisstücke zu dem Fall mit dem herausgerissenen Herzen von letzter Nacht scharf. Adrian kam ihm dazwischen … tut mir wirklich leid, Charm. Ich weiß, ihr hattet einige Probleme, aber wir alle hatten gehofft, dass es sich zwischen euch irgendwann wieder einrenkt.«
    Die Worte drangen wie durch dicke Watte zu ihr, und Zoe fühlte ihren Körper nicht mehr. Alles an ihr war taub und kalt. Mechanisch nickte sie nur, als Georg weitersprach, aber es waren nur fremde, ungelenke Töne, die er formte. Für sie machte es keinen Unterschied. Das Wichtigste klang noch immer in ihren Ohren nach. Adrian war tot. Beweisstücke. Herausgerissenes Herz.
    Mit einem Schlag konnte sie nicht mehr atmen. Nein. Nein, nicht Cale. Cale konnte Adrian nicht umgebracht haben. Nicht er!
    »Geht es? Brauchst du etwas? Du weißt …«
    »Ja. Ja, ich weiß. Danke«, flüsterte sie und lehnte sich gegen die Tür. Georg schien zu bemerken, dass er in diesem Moment nicht viel ausrichten konnte, und er tätschelte ihr unbeholfen die Schulter, ehe er sich abwandte. Zoe ließ die Tür einfach ins Schloss fallen, und mit dem Knallen der Tür kamen die Tränen.
    Zoe zog sich das zweite Kopfkissen heran und drückte ihr Gesicht hinein. Es dämpfte das raue Schluchzen und ließ es nicht so verflucht laut in ihren eigenen Ohren gellen. Es dauerte, aber irgendwann hatte sie keine Kraft mehr zu weinen. Auch wenn sie die ganze Welt verfluchen und weinen und schreien wollte, ließ ihr Körper sie im Stich. Schlaf und Erschöpfung krochen ihr in alle Glieder, und ein Teil von Zoe war sogar dankbar dafür. »Bitte, Cale«, flüsterte sie, ohne es wirklich zu bemerken, bevor ihr die Augenlider zufielen, »bitte, sei heute Nacht da. Ich brauche dich. Hörst du mich? Komm zu mir. Bitte.«
    Zoe fand sich auf der grünen Wiese mit der Pagode wieder. Die Halme standen hoch, reichten ihr fast bis zu den Waden und kitzelten ihre Fußsohlen. In der Nähe befand sich der Waldrand. Als Zoe sich darauf zubewegte, spürte sie weichen Stoff um ihre Beine rascheln. Sie trug ein einfaches weißes Kleid, das sie wärmte. Dennoch fühlte Zoe eine andere Art von Kälte, von der sie wusste, dass nur einer sie vertreiben konnte.
    »Bist du hier?«
    Die Worte waren ihr entschlüpft, noch bevor sie wirklich darüber nachdenken konnte. Das Sehnen nach Cale war mittlerweile zu einem Sturm in ihr geworden. Sie brauchte Trost, seine Nähe – und sie brauchte Antworten.
    Zoe hatte Cale niemals gefragt oder gar gebeten, zu ihr zu kommen. Es war schlimm genug, dass ihr Unterbewusstsein ihren »Traummann« ausgerechnet mit dem Gesicht ausstattete, das zu dem Mann gehörte, der Adrian getötet hatte. Oder nicht. Doch genau deswegen brauchte sie Sicherheit. Noch einmal fragte sie in die Nacht hinein: »Bist du da?«
    Ein schwarzer Rabe schwang sich von einer nahen Tanne herunter. Er krächzte nicht, sondern flog zu ihr hinab; es rauschte leise, und plötzlich stand ihr Traumgefährte vor ihr. Sein schönes Gesicht wirkte gequält. »Es tut mir leid«, sagte er.
    Zoe starrte ihn an. Sie brachte die Entfernung zwischen ihnen mit wenigen Schritten hinter sich und stieß ihn hart gegen die Brust. Er taumelte und machte einen Schritt zurück, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Der leidvolle Ausdruck auf seinem Gesicht veränderte sich jedoch nicht.
    »Warum hast du das getan?!«, schrie Zoe und sie spürte, dass ihr Gesicht nass wurde von ihren Tränen. »Warum hast du es nicht verhindert? Oder hast du ihn wirklich umgebracht? Hast du Adrian auf dem Gewissen? Sag schon. Rede endlich!«
    Ihre Worte schienen ihn schwerer zu treffen als ihr Stoß. Er wand sich unter jedem einzelnen von ihnen, als wären es körperliche Schläge.
    Zoe wusste nicht weiter. Hilflos ließ sie ihre Hände sinken und sah ihn mit tränenverschleierten Augen an. Er konnte ihren Blick nicht erwidern. Stattdessen umfasste er ihre Handgelenke und zog sie an sich; Zoe wehrte sich nicht. Sie lehnte sich an ihn, spürte seine Arme um ihren Körper und seine Wärme, die sie einfing. Die Tränen liefen weiter ihre Wangen hinab, aber die Verzweiflung wurde schwächer.
    »Ich wollte, ich hätte es verhindern können«, sagte er nah an ihrem Scheitel. »Bei allem, was mir heilig ist. Du musst es mir glauben.«
    Er brach mit rauer Stimme ab, und Zoe konnte nicht sagen, ob er weinte oder vor Kälte

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