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Die Schattenseherin: Roman (German Edition)

Die Schattenseherin: Roman (German Edition)

Titel: Die Schattenseherin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Hunter
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das aber nicht aufhalten.
    Cale sah sich gehetzt um – im Halbdunkel erkannte er, dass eine schmale Metalltreppe nach oben führte. Hastig ergriff er das Geländer und rannte nach oben. Keine Sekunde zu früh. Die Metalltür hinter ihm wurde aufgerissen, und ein heftiger Windstoß streifte seinen Rücken. Ein einzelner Flügelschlag des Himmelsboten hob ihn fast von den Füßen. Cale biss die Zähne zusammen, versuchte, sein Gleichgewicht zurückzugewinnen und nahm zwei Stufen auf einmal in die ungewisse Höhe hinauf. › Was musstest du auch für deine kleine Fotografin herkommen?‹
    ›Sie brauchte mich‹, erwiderte Cale und lief einfach weiter. ›Ich habe bei Neil versagt – ich will nicht auch noch Zoe verlieren.‹
    ›Dann lauf schneller.‹
    Abwesend nickte Cale und sah vor sich eine weitere Tür. Er senkte den Kopf, hob die Schulter an und warf sich mit seinem gesamten Körpergewicht dagegen. Sie gab nach, und von einer Sekunde zur anderen fand Cale sich auf dem Dach des Hauses wieder. In der Nacht glänzten Edinburghs Lichter wie Sterne, aber Cale hatte absolut kein Auge für diese Schönheit. Er sah sich nach irgendeinem Fluchtweg um, aber da war nur das Dach und viele Meter freier Fall.
    »Gib sie mir.« Der Engel stand gegen das Licht des Mondes und wirkte wie die personifizierte Rache. Seine Flügel reichten weit bis in die Nacht, und die Federspitzen wirkten im Halbdunkel wie Dolche, jeder einzelne bereit, Cale das Herz herauszuschneiden.
    »Was meinst du?«, fragte er verwirrt.
    Der Engel knurrte, und seine Hände machten den Eindruck, eher Klauen als Finger zu besitzen. »Stell dich nicht dumm, verfluchtes Geschmeiß. Sie ist da, gib sie mir endlich!« Er kam näher und fixierte Cales Brust, die Stelle, an der sich seine Rune befand, die Rune, die ihn und Caes verband und am Leben erhielt. »Oder machst du mir das Vergnügen, dass ich sie herausschneiden muss?«
    ›Wovon zum Teufel spricht er da?‹, flüsterte Cale Caes zu.
    ›Vielleicht hat er den Verstand verloren? So was passiert bei Engeln häufig.‹
    Angesichts des verzerrten Gesichts vor sich erschien Cale diese Lösung nicht abwegig, aber egal ob der Engel verrückt war oder nicht – er war gefährlich. Cale erinnerte sich nur zu genau an seine letzte Begegnung mit einem der Himmelsboten und wie hilflos er ihm gegenübergestanden hatte. Er wich zurück; seine Hacken stießen gegen den Rand des Dachs. Der Engel grinste unheilig und packte Cale an der Kehle. Als wäre es nichts, hob der Engel ihn hoch, und Cale spürte, wie er den Boden unter den Füßen verlor. Er wand sich, wehrte sich, aber der Griff war eisenhart. ›Caes?‹, fragte er in Gedanken, während er die Straße unter sich sah. Es lagen wirklich viele Meter zwischen ihm und dem sehr harten Boden. ›Es ist lächerlich, aber ich habe dich nie gefragt, ob du jenseits der Hölle eigentlich fliegen kannst?‹
    Der Dämon lachte bitter auf. › Bin ich ein verdammter Vogel? Du wirst fallen, Fleischsack, und ich werde das nicht verhindern können.‹
    Cale hätte angesichts der absurden Situation fast gelacht. Er baumelte hier über den Rand eines mehrstöckigen Hauses und würde bald mit mehrfach gebrochenen Knochen aber lebendig auf dem Asphalt liegen. ›Dann wird das gleich verdammt wehtun‹, erwiderte Cale und hörte auf, sich zu wehren. Er sah Dumas an, der den Wechsel von Cales Gesichtsausdruck sehr wohl bemerkt hatte und verwirrt die Stirn runzelte. »Na los, Federchen«, schnaubte Cale. »Lass mich fallen. Schneid mir das Herz heraus. Komm schon!«
    Das schien nicht ganz die Reaktion zu sein, die der Himmelsbote erwartet hatte. Er zögerte merklich, und der Griff um Cales Hand lockerte sich etwas. In diesem Moment zerriss ein lauter Knall die Luft. Der Engel heulte verzerrt auf, seine Hand um Cales Hals löste sich, und er sackte in sich zusammen.
    Cale landete auf dem Rand des Dachs und versuchte, irgendwie sein Gleichgewicht zurückzubekommen und gleichzeitig herauszufinden, was passiert war. Über den gekrümmten Rücken des Engels, der sich das rechte Knie hielt, sah er Zoes schlanke Gestalt, die mit ausgestreckten Armen auf sie beide zielte. In ihren Händen lag eine Pistole, und aus der Mündung quoll noch Rauch. In Cales Kopf lachte Caes laut auf. › Sie hat auf einen Flügelträger geschossen‹, jubelte er. › Verdammt, die Kleine gefällt mir immer besser.‹
    Cale konnte Zoe nur anstarren. Sie wirkte selbst ein wenig überrascht darüber, dass sie

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