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Die Schattenseherin: Roman (German Edition)

Die Schattenseherin: Roman (German Edition)

Titel: Die Schattenseherin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Hunter
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geschossen hatte, aber ansonsten schien sie vollkommen ruhig. Die Waffe noch immer in der Hand, kam sie langsam auf den Rand zu, den Blick starr auf Cale gerichtet. »Du bist es also wirklich«, sagte sie leise.
    Fahrig nickte Cale und stieg vom Rand des Dachs. Zoe kam näher und sah auf die zusammengesunkene Gestalt des Engels, der noch immer unter heftigen Schmerzen litt und sich nicht weiter rührte. Sie hob den Blick wieder und stand dann direkt vor Cale. Sie betrachtete sein Gesicht und ließ die Pistole sinken. »Cale«, murmelte sie seinen Namen. Ein warmer Schauer lief über seinen Rücken – sie war hier, hier bei ihm. Und sie hatte ihn gerettet.
    Eine Bewegung aus den Augenwinkeln brachte ihn in die Realität zurück. Der Himmelsbote hatte sich anscheinend wieder von Zoes Schuss erholt. Er richtete sich auf und hob die Hand. Cale wollte sich vor Zoe stellen – egal was, er würde nicht zulassen, dass der Engel ihr etwas antat, aber sie hatte andere Pläne. Kurz sah sie über seine Schulter, sprang dann plötzlich vor und stieß ihn vom Dach. Sie fiel mit ihm über den Rand und hielt sich an ihm fest. Im eiskalten Wind ihres Falls konnte er sie nur fassungslos anstarren, aber ihre Miene war noch immer seltsam ruhig und leuchtete von einer Gewissheit über etwas, das er nicht verstand.
    Cale umfasste sie, drückte sie fest an sich und machte sich bereit für den harten Aufprall auf den Boden. Wenn Zoe in der Haltung blieb, würde sein Körper ihren Aufprall dämpfen und sie schützen. Das war alles, woran er denken konnte.
    Zoe hob den Kopf und sah ihn an. Von einer Sekunde zur anderen veränderte ihr Gesichtsausdruck sich – ihre Augen wurden groß, und sie sah ihn überrascht an. Er blickte über ihre Schulter und erkannte weit über ihnen den Engel, die Hand ausgestreckt. Er wirkte grimmig, aber noch immer nicht fähig zu fliegen.
    Mit einem Mal gewann die Welt wieder an Farbe und auch an Geschwindigkeit. Der ewig andauernde Fall kam abrupt zu einem Ende, doch sehr viel weicher, als Cale jemals geahnt hätte. Zoe fiel auf ihn, ihr Körper seltsam schwer und ohne jede Spannung. Behutsam hielt Cale sie an sich gedrückt und richtete sich auf, um herauszufinden, warum ihm nicht jeder Knochen im Leib zerschmettert worden war.
    Ein Bus. Sie waren auf dem Dach eines Doppeldeckerbusses gelandet. Erst als er es sah, bemerkte er, dass sie fuhren. Cale starrte ungläubig auf den roten Lack des Busses und fing dann schallend an zu lachen. Er sah auf die Frau in seinen Armen. »Hast du das etwa gewusst?«
    Sie hob müde den Blick. »Ich hatte gehofft, dass der Bus heute pünktlich am Haus vorbeifährt«, sagte sie schwach, und Cale betrachtete sie alarmiert genauer. Seine Hand fuhr suchend über ihren Rücken, und er wurde fündig; zwischen den Schulterblättern ragte ein Federkiel hervor. Der Rest der Feder steckte tief in Zoes Fleisch, und das austretende Blut färbte ihr T-Shirt dunkel. Ungläubig starrte Cale auf die Verletzung. »Was ist das?!«
    Es dauerte, ehe Caes antwortete. Die Antwort schien dem Dämon selbst unangenehm zu sein. › Eine Engelsfeder. Das ist nicht gut.‹
    »Mit wem redest du?«, murmelte Zoe schwach an Cale gelehnt. Er spürte ihren Körper, der langsam immer kühler wurde und das nicht wegen des Fahrtwindes, der an dem Bus vorbeizog. Sie schien keine Schmerzen zu haben, und er war dankbar dafür. Umsichtig zog er sie näher an sich, schloss sie in seine Arme, ohne die Feder zu berühren. Sie seufzte leise und klammerte sich erschreckend schwach in sein Hemd.
    »Mit niemandem«, erwiderte er dicht an ihrem Ohr. Ihr süßer Duft war überdeutlich für ihn, und er spürte eine kalte Hand sein Herz ergreifen. Er konnte sie einfach nicht wieder verlieren. »Hast du Schmerzen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Aber ich bin furchtbar müde. Was ist passiert?«, fragte Zoe.
    »Du hast einen Engel angeschossen, um mir zu helfen«, sagte er und strich ihr das Haar aus der Stirn.
    Zoe schloss die Augen. »Das ist bestimmt nicht gut. Komm ich jetzt in die Hölle?«, fragte sie, aber da war kein Ernst in ihrer Stimme. Vielmehr lächelte sie, als hätte sie einen Witz gemacht.
    Cale musste selbst lächeln. »Wäre das denn so schlimm?«, fragte er und rüttelte sie ein wenig. »Bleib wach, Zoe. Etwas stimmt nicht, und ich brauche dich wach und aufmerksam bei mir.«
    Sie brummte unwillig, weil er sie davon abhielt, zu schlafen.
    ›Du musst diese Feder so schnell wie möglich loswerden‹ , sagte Caes.

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