Die Schattenseherin: Roman (German Edition)
vollzog.
Frustriert hieb sie auf den Boden und zog ihre Hand schnell zurück. Sie hatte etwas Hartes, Scharfkantiges getroffen. Vorsichtig wischte sie einige Ascheflocken beiseite und fand zwei dünne Ketten. An der einen baumelte ein verbogenes Kreuz aus Metall, an der anderen war ein Amulett befestigt, mit einem seltsam schwarzen Stein. Sie rieb mit dem Daumen darüber, aber er blieb matt und ohne jeden Lichtreflex.
Zoe steckte beide Ketten ein und stand auf. Sie sah sich auch in den anderen Räumen um, aber wie schon bei ihrem ersten Besuch konnte sie keine Hinweise zu Cales Aufenthaltsort finden.
Wieder zurück in ihrer eigenen Wohnung fand sie keine Ruhe. Sie musste wissen, was mit Cale passiert war. Und das so schnell wie möglich. Abermals holte sie die beiden angesengten Ketten hervor und begutachtete sie. Vielleicht ... sie hob den Anhänger mit dem schwarzen Stein höher und betrachtete ihn genau. Tatsächlich, sie hatte Glück. Ein winziger Fleck war darauf zu sehen, dunkelrot genug, dass es sich dabei um Blut handeln konnte. Zoe zögerte nicht. Sie nahm das Amulett und leckte über den Fleck. Die Wirkung setzte sofort ein; Zoe fiel zu Boden, und vor ihren Augen sah sie ein Gesicht. Breiter Kiefer, dunkle Augen. »Neil« hörte sie in ihrem Kopf, aber daraufhin blieb alles schwarz und die Vision begann, sich aufzulösen. Zoe fand sich rücklings auf ihrem Teppichboden wieder und fühlte sich benommen. Sie hatte keinen Tod gesehen, weil es anscheinend keinen Tod gab. Dieser Mann namens Neil hatte zwar sein Blut auf diesem Amulett hinterlassen, aber gestorben war er nicht.
Allerdings half ihr das alles nicht bei ihrer Suche nach Cale weiter.
Sie steckte beide Ketten wieder ein und fuhr zusammen, als Dumas plötzlich vor ihr stand. »Ich hatte Sie gebeten, das nicht mehr zu tun!«, fauchte sie den Engel an. Er trug noch immer kein Hemd, und seine Haut glänzte feucht, als hätte er stark geschwitzt oder wäre durch dichten Nebel geflogen.
»Kommen Sie her«, überging er Zoes Worte einfach, und noch während er sprach, zog er sie an sich. Erschrocken wehrte Zoe sich. »Was soll das?«
»Ich hatte ihn fast – ich muss ihn wiederfinden«, murmelte der Engel gehetzt, und Zoe war sich sicher, dass er nicht zu ihr sprach. Sie wehrte sich weiter, aber es war zwecklos. Er zerrte sie einfach wieder ins Wohnzimmer, zu dem Kreis aus leuchtenden Zeichen, der wieder aufflammte, sobald Dumas das Zimmer betrat.
»Ich werde diesen verfluchten Bastard endlich finden, koste es, was es wolle«, fluchte Dumas, und Zoe schrie leise auf, weil sein Griff um ihren Arm schmerzhaft fest wurde.
»Nicht nötig – ich bin bereits hier«, erklang eine raue Stimme. Zoe und Dumas sahen gleichzeitig auf.
In der Tür stand Cale, die Arme verschränkt, und beobachtete das ungleiche Paar. Sein Hemd war halb offen, und sie konnte deutlich Ruß und Blut drauf erkennen, aber er selbst wirkte, abgesehen von einigen schwarzen Flecken, unversehrt. Sein schönes Gesicht wirkte abgezehrt und müde, er selbst aber stand aufrecht und ohne Angst vor ihnen beiden. Sein ganzer Körper war angespannt, unter dem Hemd zuckten die Muskeln nur zu deutlich. »Und jetzt lass sie los.«
Dumas knurrte wütend und schleuderte Zoe wie eine Stoffpuppe einfach zu Boden. Sie krümmte sich und versuchte, sich so schnell es ging aufzurichten, aber es war bereits zu spät. Der Engel hatte sich auf Cale gestürzt, und beide waren durch die Tür verschwunden.
Fünfzehntes Kapitel
Getrennt vereint
Cale rannte durch den Hausflur. Er musste den Engel so schnell es ging von Zoe fortlocken, und bisher ging sein Plan auf.
› Plan? Was für ein Plan?! Du rennst gerade wie ein Kaninchen vor dem Hund davon.‹
›Hast du einen besseren Vorschlag?!‹, brüllte Cale und rannte die Treppe hinauf; bloß nicht wieder hinunter auf die Straße, wo all die Menschen entlangliefen, die nichts von Dämonen oder Engeln wussten.
»Mach dich nicht lustig über mich, Dämonengeschmeiß!«, donnerte der Engel hinter Cale, und er spürte die Hitze der Macht des Himmelsboten direkt hinter sich. Sein Blick fiel zur Seite, zu einer unscheinbaren Metalltür. Er hoffte, dass sie nicht abgeschlossen war, schlug einen Haken und riss sie auf. Er hatte Glück. Die Klinke gab unter dem Druck nach, und die Tür schwang auf. Er schlüpfte hindurch, schlug sie hinter sich zu und registrierte befriedigt das frustrierte Brüllen des Engels, als seine Beute ihm entschlüpfte. Lange würde ihn
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