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Die Schattenseherin: Roman (German Edition)

Die Schattenseherin: Roman (German Edition)

Titel: Die Schattenseherin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Hunter
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Hände legten sich um die Unterarme seines Angreifers, aber es nützte nichts. Die Luftzufuhr wurde so abrupt abgeschnitten, dass Cale nicht einmal mehr genug für ein Keuchen blieb. Vor seinen Augen tanzte ein roter Schleier, der immer dichter wurde. Er zuckte vor und zurück, versuchte, sich zu befreien. Um seinen Hals riss die Kette, die Eloises Kreuz hielt, und er spürte, wie das Schmuckstück an seiner Brust herab zu Boden glitt.
    »Was zum ...«
    Neil hatte die Tür zum Schlafzimmer aufgerissen und stand fassungslos da angesichts des Kampfes, der sich dort abspielte.
    Der Engel wurde von Cale abgelenkt. Angesichts von Neils Erscheinen wirkte er verwirrt, und sein Griff um Cales Hals lockerte sich.
    Für Cale genug, um die Hände des Engels von seinem Hals zu ziehen und sich herumzuwerfen. »Lauf!«, brüllte er Neil an und schob ihn durch die Tür, aber der Nephilim schien vor Schreck wie erstarrt. Hinter sich hörte Cale wieder das vertraute Auflodern der Flammen. Panik erfasste ihn, verlieh ihm neue Kraft, und er stürzte durch die Tür, versuchte, Neil mit sich zu ziehen – aber er war zu langsam.
    Fauchend raste der Feuerball auf beide zu, und an der Stelle, an der Neil noch eben gestanden hatte, loderte zu Cales Entsetzen eine hohe Flammensäule. Er glaubte, Schreie zu hören, doch es konnte auch einfach nur das Fauchen der Flammen sein.
    Der Engel schien sich nicht weiter darum zu scheren. Sein Ziel war Cale. Er durchquerte das Schlafzimmer und war mit einem Sprung an der Tür.
    Cale warf sich herum und rannte zur Vordertür. Halb sprang er die steilen Treppen des Flurs hinunter, halb rannte er, immer wieder mit gehetztem Blick über den Rücken, um zu sehen, ob er noch immer verfolgt wurde, aber das Treppenhaus blieb still. Dennoch lief Cale einfach weiter, rannte, bis er keine Luft mehr bekam und seinen toten Freund weit hinter sich gelassen hatte.
    Der Abend dämmerte und verlieh dem Scots Monument einen goldenen Schimmer, aber Zoe hatte keine Augen für das Naturschauspiel. Sie war auf der Suche nach dem Haus, in dem Cales Apartment lag. Es dauerte viel zu lang, bis sie es gefunden hatte, und sie verfluchte sich selbst, weil sie so viel Zeit verschwendete.
    Nachdem Cale sie auf diese Weise gewarnt hatte, war sie ohne Zögern aus dem Haus gelaufen und hatte sich nach einem Taxi umgesehen, das sie zumindest in die ungefähre Richtung des Apartments bringen würde. Cales Warnung hatte zwar ihr gegolten, doch sie spürte deutlich, dass es für ihn wesentlich gefährlicher war. Sie musste ihn sehen.
    Immer wieder lief sie die Straße auf und ab, in der Hoffnung, das Haus irgendwie wiederzuerkennen, doch das dämmrige Abendlicht malte andere Bilder als die helle Mittagssonne, und Zoe war kurz davor, aufzugeben, als sie es endlich fand. Der Sandstein war hier etwas heller als an den anderen Häusern, und eines der Fenster im Erdgeschoss wies einen Riss auf. Zoe hämmerte gegen die Tür und betätigte alle Klingeln auf dem Brett, bis schließlich wirklich ein Surren ertönte und sie die Haustür aufdrücken konnte. Hastig rannte sie die Treppe hinauf und blieb dann vor der sperrangelweit aufgerissenen Wohnungstür stehen. Ein mulmiges Gefühl breitete sich bei diesem Anblick in ihrem Magen aus – das war kein gutes Zeichen. »Cale?« Sie rannte in die Wohnung und lief ins Wohnzimmer.
    Die Bilder hingen schief, einige waren auf den Boden gefallen. Die gesamte Kunstsammlung war von den Regalen gefegt worden und lag, in Stücken oder ganz, auf dem Boden. Beißender Gestank nach verbranntem Haar und verkohltem Holz durchdrang die gesamte Wohnung, und Zoe fühlte, wie die Haare auf ihren Armen sich aufrichteten. Sie hastete ins Schlafzimmer und bremste abrupt ab, als sie die Zerstörung sah. Es sah aus, als hätte ein Flammensturm in dem Zimmer gewütet. Was nicht verbrannt war, zeigte rußige Flecken oder schwarz verkohlte Stellen. Am schlimmsten hatte es die Wand neben der Tür getroffen. Sie war fast vollständig verkohlt, nur die nackten Steine unter dem Putz und der Tapete wirkten noch einigermaßen unversehrt.
    Zoe ging in die Hocke und presste die Hand an die Stirn. Sie musste versuchen, sich zu beruhigen und klar zu denken. Cale war nicht hier, zumindest hatte sie keine Leichenreste gefunden. Was hieß, dass er noch lebte. Nur, wo war er? Sie hatte absolut keinen Anhaltspunkt, wo sie mit der Suche beginnen sollte, und alles in ihr sträubte sich, Dumas zu rufen, damit er noch einmal das Ritual mit ihr

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