Die Schattenstaffel Kommissar Morry
heraussprang, daß auch seriöse Menschen gegen Mißgeschicke nicht gefeit sind. Er nahm sich zusammen und bemerkte wie nebenbei: „Ich hatte Ihnen zugetraut, Sie wüßten, wer ich bin. Unter dem Namen ,Hurlinghamer' ist bis jetzt noch kein Gauner oder Zechpreller herumgelaufen. Ich werde in meiner Familie damit gewiß nicht den Anfang machen. Es tut mir von diesem Augenblick an leid, jemals Ihren Club kennengelernt zu haben. Und damit Sie in Ruhe schlafen können, werde ich meinen Anwalt beauftragen, die paar Pimperlinge vorweg — das heißt: innerhalb von drei Tagen — aus der Substanz meines Universalerbes herauszunehmen. Meine Tante wird sich zwar ein bißchen wundern, aber ehe sie unseren alten Familiennamen beschmutzen läßt..."
„Um Gottes willen, nicht doch, nicht doch, verehrter Mister Hurlinghamer, eine Diskriminierung Ihres angesehenen Namens habe ich nie beabsichtigt, nie, glauben Sie mir!" Der Luna-Club-Gewaltige schwamm plötzlich in Unterwürfigkeit. „Verstehen Sie mich doch, bitte, verstehen Sie mich; wer hier für das Kommerzielle verantwortlich ist, muß doch — muß doch leider recht genau sein. Ich meine, es dürfen keine belangvollen Störungen passieren. Wenn das Geld nicht rollt, oder nicht sicher ist . . ."
„Es ist genug", fiel Franky ihm ins Wort. „Verlassen Sie sich darauf: ich bin übers Wochenende bei meiner Tante und regele die Sache. Auch die Zinsen werden nicht vergessen. Welchen Zinssatz sind Sie hier gewohnt?"
„Aber ich bitte Sie —" Der Club-Mann kam hinter seinem Schreibtisch hervor und machte Anstalten, Franky brüderlich zu umarmen. Das paßte Franky ganz und gar nicht. „Bis dann!" rief er, drehte sich um und verschwand.
Bald nach dieser Szene spielten sich im gleichen Büroraum eigenartige Dinge ab. Es fällt schwer, sie zu beschreiben, ja, es ist praktisch unmöglich. Man müßte zuvor bis in die denkbarsten Tiefen des internationalen Unterweltlertums hinabsteigen und zu erklären versuchen, welche rätselhaften Fäden hier gesponnen werden, Fäden, die vielen mehr oder weniger schweren Verbrechen vorausgehen. Das Verbrechen an sich ist eine Art von betrüblicher Wissenschaft, und organisierte Verbrecher-Cliquen sind es erst recht. Von ihren weitreichend gespannten Netzen wäre viel zu erzählen. Der einzelne Verbrecher ist im Grunde immer der gefährlichste, weil er bei seiner — manchmal enorm ausgeprägten — Intelligenz auf Helfershelfer verzichten kann. Er meidet möglichst jedes Risiko, hält sich Schwätzer und „Mitgewinnler" vom Leibe und betreibt sein „Geschäft" so, daß er so gut wie keine Spuren hinterläßt. Auch in juristischer Hinsicht ist er meist mit allen Wassern gewaschen. Es ist schwer, ihm etwas schlüssig nachzuweisen. Von ähnlichem Schlage ist ein Mann wie jener, der sich den sonderbar „ruhmvollen" Namen „Napoleon von London" zugelegt hat, beziehungsweise der ihm zugemünzt worden ist. Auch seine Absicht ist, völlig allein zu „wirtschaften"; aber noch ist es ihm nicht gelungen, alle Verstrickungen seiner kriminellen Anfängerzeit zu überwinden. Er muß Rivalen- Rache von Seiten seiner früheren Kumpane fürchten. Gleichzeitig versucht er, neue Chancen auf seinem Erwerbsgebiet zu erspüren. Darum hält er vielgestaltige Kontakte aufrecht. Er braucht persönliche Spione, um stets über die dunklen Absichten seiner Gegner im Bilde zu sein. Jeder dieser „Vertrauensmänner" trägt einen unsichtbaren Schutzmantel; mit anderen Worten: jeder gewiegte Verbrecher ist darin geübt, sich verblüffend zu tarnen. Die angewendeten Vorsichtsmaßnahmen sind kompliziert. Selbst die eingefuchsten Kenner der „Branche" müssen jeweils erst geschickt „sortieren", wer eigentlich Feind, wer Freund ist.
Mit diesem Exkurs ist wohl genügend der Zusammenhang angedeutet, weshalb der erwähnte wabblige Spielclub-Mann kurz nach Franky Hurlinghamers Fortgang einen so überraschenden Besuch bekam —
„Napoleon von London", der Gangsterboß persönlich, hatte sich zu einem seiner geheimen Handlanger herbemüht. Die beiden „vornehmen Herren" vergewisserten sich erst, ob sie auch tatsächlich keinen unerwünschten Zuhörer hatten, rückten dann auf Tuchfühlung einander näher und führten eine Unterhaltung, bei der eine ganze Kollektion von Fremdsprachen Pate zu stehen schien. Beide sprachen gedämpft, und ihre Gesichtsmuskeln, ihre Augen, ihre Arme und Hände „sprachen" mit.
„Ich habe eben den jungen Dandy aus deinem Laden
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