Die Schattenstaffel Kommissar Morry
eingefunden, so ließ er es sich während dieser Hundstage schon gar nicht entgehen, ihn zu besuchen. Nun aber gehörte der Hauseigentümer von Southend zu den Menschen, die allzuviel Trubel nicht mehr mochten.
Mit der Bezeichnung Trubel war noch gelinde ausgedrückt, was sich während dieses Sommers da draußen abspielte, deshalb hatte sich Mister Duchess einen anderen Spleen ausgeknobelt. Er entfloh dem Lärm der Ausflügler, indem er sich während der Rekordhitze auf dem Küstenschoner seines Freundes aufhielt. Er empfand es als herrlich, auf das Meer hinaus entführt zu werden. Sein Neffe Hank Duchess aber hatte von ihm die Erlaubnis, das Haus nach Belieben zu benutzen. Noch mehr, er durfte sich zu seiner Unterhaltung auch einige Freunde mitbringen. Die Räume, sechs an der Zahl, waren angenehm eingerichtet, und so vergingen nicht wenige Sonntage, an denen Hank Duchess nicht die Großzügigkeit seines Onkels in Anspruch nahm.
Diesmal, Neffe Hank mit einbegriffen, sollten es fünf Personen sein, die mit ihrem jugendlichen Lachen und Scherzen das Haus erfüllten. Hank Duchess löste mit dieser Einladung ein Versprechen ein, das er seinen Berufskollegen gelegentlich gegeben hatte. So kam es, daß in den späten Abendstunden des Freitages eine vollgestopfte Preston-Limousine vor der Tür des Hauses hielt.
Hank Duchess verließ schwitzend, darum aber nicht weniger gut gelaunt, als erster das Fahrzeug. Er rief theatralisch:
„Alles aussteigen! Die Burggeister harren unser!“
Die anderen ließen sich nicht lange nötigen und betraten, von Hank Duchess angeführt, den gemütlichen Salon des Hauses.
„Die Damen nach dem Erfrischungstrunk sofort in die Küche, und die Herren zu mir", übernahm Hank scherzhaft das Oberkommando. Er gab damit das Signal zu einem ausnehmend geselligen Abend. Während Hank sein Glas erhob, wandte er sich an den neuen Mitarbeiter, der ebenfalls die Einladung nach hier befolgt hatte. Er sagte:
„Mister Cary Broyders, obwohl sie erst einige Tage unserem Verein angehören, haben Sie sich dennoch unter uns schon einigen Respekt verschafft. Vielleicht sind Sie sogar einmalig in unserer Branche. Warten wir ab. Ihre wenigen News, die Sie inzwischen herausgebracht haben, bestätigen uns, daß Sie hier an der richtigen Stelle sind. Besonders hat uns — well, ich betone es absichtlich — Ihr Bericht gefallen, den Sie über dieses Phantom — den sogenannten Napoleon von London geschrieben haben. Für mich steht es nach Ihrer Darstellung ebenfalls fest, daß es sich hier um einen Menschen handeln muß, der unter der Maske eines Biedermannes getarnt, seine Untaten begeht. Das wollte ich zunächst nur einmal nebenbei bemerkt haben. In der Hauptsache darf ich Sie wohl im Namen aller Anwesenden auffordern, mit uns auf gute Kollegialität das Glas zu erheben."
Cary Broyders erhob sich und stieß mit den anderen an. Hank Duchess Worte hatten ihn erfreut. Er durfte sich also schon als völlig Gleichberechtigter im neuen Kollegenkreis fühlen. Daß man ihn als solchen so schnell anerkannte, war nach seiner Meinung nicht allein auf seine eigenwillig gestalteten News für die „Exclusiv - Press" zurückzuführen, sondern wohl zu einem gewissen Teil auch auf die Fürsprache einer gewissen Miß Myriam Sedbergh. Myriam blickte ihn mit glänzenden Augen an. Sie lächelte. Ihre blitzenden Zähne kamen zum Vorschein. Cary Broyders verlor Myriam nicht aus den Augen. Er wandte sich wieder an den Sprecher und bedankte sich herzlich für diese Einladung, wie für die freundlichen Worte. Während silberhell die Gläser aneinander klangen, orakelte Humbert O'Breyn, der Veteran ihres Vereins, in seinem tiefen Baß:
„Sorry, ich sehe schon, dieser Teufelskerl wird uns altgediente Zeitungsleute noch um den Finger wickeln. Wetten, daß er sich bald das hübscheste Girl von der Exclusiv-Press schnappen wird? Soviel Glück möchte ich auch noch einmal haben."
„Werde nicht neidisch, alter Knabe", mischte sich Hank Duchess ein, und er fügte zur allgemeinen Erheiterung hinzu:
„Denke immer daran, daß auch der Herbst noch schöne Tage hat."
Die Stimmung wuchs. Man tanzte, scherzte, vergaß den Londoner Alltag.
Je weiter der Abend fortschritt, um so mehr kamen sich Myriam Sedbergh und Cary Broyders näher. Echte Zuneigung spann sich an. Sie bekräftigten ihre Absicht, sich beruflich gegenseitig immer beizustehn. Ihr Gespann sollte mit der Zeit unzertrennlich werden. Myriam, Cary und alle anderen hier ahnten in
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