Die Schattensurfer (German Edition)
sich einen halben Schritt hinter seinem Kollegen und blendete Sansibars Vater mit einem Strahler mitten ins Gesicht. Sansibar machte die Augen zu und rührte sich keinen Millimeter. Sie wollte nur zu Mama.
„Personenkontrolle. Dürfte ich bitte ihre Papiere sehen“, lächelte der Sipo geschmeidig.
Sansibars Vater kramte in der Jackentasche und zückte schließlich ein abgegriffenes Plastikkärtchen. Der Sipo schob die Karte in seinen Computer. „Rob Remsi?“, fragte er. Herr Arbani nickte. Er sah zu Boden und vermied es in das gleißende Licht zu sehen.
„Wussten Sie, dass Ihr Scheinwerfer kaputt ist?“, fragte der Sipo und ging einen halben Schritt um Herrn Arbani.
Herr Arbani machte ein zerknirschtes Gesicht. „Ist mir gerade ein Stein dagegengeflogen. Ich wollte schieben, aber meine Tochter muss schleunigst nach Hause. Sie ist müde.“
„Woher kommen Sie?“, ließ der Sipo nicht locker.
„Wir waren bei Freunden, haben uns verquatscht“, nuschelte Sansibars Vater und schob fast trotzig hinterher: „Ist doch nicht verboten.“
„Nach dem neuen Kinderschutzgesetz müssen Sie dafür sorgen, dass Ihre Tochter genügend Schlaf bekommt. Ich denke, Sie haben mindestens fünf Stunden überzogen. Wie alt ist Ihre Tochter?“, sprach der Sipo Sansibars Vater jetzt von der Seite an. Er äugte zu Sansibar.
„Vier“, meinte Sansibars Vater. „Die Kleine hat den ganzen Nachmittag geschlafen. Selbstverständlich habe ich das gesetzliche Schlafprotokoll geführt. Wollen Sie es sehen?“
Ohne zu antworten, beugte sich der Sipo über Sansibar.
Sansibar spürte den Atem des Sipos. Das fühlte sich ekelig an. Aber sie hatte es Papa versprochen und wusste ganz genau, was sie tun musste. Die kleine Sansibar begann zu schnarchen: Chrrr Hahhh Pitschüüüh, Chrrr Hahhh Pitschüüüh, Chrrr Hahhh Pitschüüüh.
„Kleines Fräulein“, hörte Sansibar eine ölige Stimme. „Du darfst Sipos nicht anschwindeln, sonst kommst du ins Gefängnis. Ich höre doch ganz genau, dass dein Schnarchen nicht echt ist. Du schläfst überhaupt nicht.“
Sansibars Muskeln verkrampften. Was sollte sie tun? Wenn ein Sipo sie fragte, dann musste sie antworten. Sansibar gähnte, als würde sie gerade aufwachen. Verschlafen rieb sie sich die Augen.
„Na also, geht doch“, knurrte der Sipo. „Wie heißt du?“
„Also hören Sie mal. Sie können nicht meine vierjährige Tochter befragen. Das geht zu weit. Das Recht haben Sie nicht“, mischte sich Sansibars Vater ein.
„Schnauze“, blaffte der Sipo. Dann wandte er sich wieder Sansibar zu.
Der Sipo machte ihr Angst. „Sansibar“, flüsterte sie piepsig.
„Weiter!“, befahl er.
„Das ist eine Unverschämtheit. Ich werde mich beschweren“, fuhr Sansibars Vater dazwischen. Der Sipo zog seinen Laser-Raptor und richtete ihn direkt auf Papas Brust. „Hatte ich mich nicht klar ausgedrückt?“
„Sansibar, Sansibar Arbani“, sprudelte sie. Der Sipo durfte Papa nicht wehtun. Sie musste Papa helfen.
„Soso, Arbani“, wiederholte der Sipo und wandte sich an seinen Kollegen: „Überprüf das doch mal im Computer.“
Der andere Sipo grunzte zufrieden und strich über den Bildschirm.
„Wohin fahrt ihr denn, dein Papa und du?“, fragte der Sipo und lächelte so freundlich, als würde er einer alten Frau über die Straße helfen.
„Wir fahren zu Mama nach drüben“, sagte Sansibar ganz schnell. Papa durfte sich nicht einmischen. Sonst bekam er nur noch mehr Schwierigkeiten.
„Soso, zu Mama nach drüben“, wiederholte der Sipo.
Papa fühlte sich plötzlich kalt und starr wie ein Eisblock an. Mit dem Fuß kickte er nach dem Anlasser. Er riss das Gas bis zum Anschlag auf. Der kleine Bersolmotor kreischte wie eine geschlagene Katze. Doch ehe sich der Scooter auch nur einen Zentimeter vom Fleck bewegte, feuerte der Sipo den Laser-Raptor ab, mitten auf Papas Brust. Papa schrie und zuckte. Da hatte ihn der zweite Sipo schon vom Scooter gerissen und an den Armen gepackt. In aller Ruhe holte der erste Sipo ein kleines weißes Kästchen aus seiner Tasche. Er aktivierte die Einstellung Schlafen. Dann rammte er Sansibars Papa das Kästchen mit der Nadel voraus in den Arm.
„Ein besonders schwerer Fall von Disinformie“, sagte der andere. „Seine Frau ist vor zwei Tagen zu den Rebellen geflohen, meldet der Computer. Wir müssen ihn gleich ins Korrekturhaus bringen.“
Die kleine Sansibar ließ sich vom Scooter rutschen und rannte in die Nacht. Sie hatte keine Ahnung, wo sie
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