Die Schattensurfer (German Edition)
war. Sie lief einfach. Sie musste Mama finden. Die Böschung hinunter. Im Wald wäre sie in Sicherheit. Da wurde sie von zwei Händen gepackt. Sansibar sah das weiße Zackenmuster auf den Ärmeln. Sie schrie und strampelte und biss in den Arm. „Du kleine Ratte“, brüllte der Sipo und packte Sansibar am Ohr. Sansibar wehrte sich. Sie trat. Sie spuckte. Sie zog mit Löwenkräften. Und mit einem Ruck riss sie sich frei. Ein stechender Schmerz schoss durch ihr linkes Ohr, dort, wo der Sipo sie gepackt hatte. Aber ehe Sansibar auch nur einen einzigen Schritt laufen konnte, hatte der Sipo seine Arme wie eine Boa um sie geschlungen. Er hielt sein Opfer fest und hob Sansibar einfach hoch. Sie spürte etwas Warmes an ihrem Hals. Sie tastete danach. Blut. Ihre Finger fuhren zum Ohrläppchen. Statt ihres Ohrrings klaffte dort ein Riss. Jede Kraft sich zu wehren versiegte. Heulend ließ sie sich fallen.
„Was machen wir mit dem Kind?“, fragte der Sipo, der Sansibars Vater auf den Scooter geschnallt hatte.
„Die bringen wir ins Kinderheim zu den Häppy Kidz. Nach der Korrektur, wenn ihr Vater ein ordentliches Mitglied der Gesellschaft ist, darf sie zu ihm zurückkehren. In ein paar Wochen ist alles erledigt. Er wird sich an nichts mehr erinnern können und sie ist noch zu klein, um Schwierigkeiten zu machen.“
„Mama, Papa“, hauchte Sansibar. „Es tut mir so leid.“ Ihre Erinnerungen schienen sie zu zerreißen.
Sansibar spürte noch, wie die beiden Sipos sie packten. Sie wollte nicht aufgeben. Sie zwang sich die Augen zu öffnen. Da sah sie, dass es jetzt keine Sipos waren, sondern die beiden Pfleger. Prönke hielt sie fest. Der andere aktivierte das weiße Kästchen und murmelte noch: „Halbe Dosis genügt.“ Dann versank Sansibar in nachtschwarzer Watte.
35 SCHLAFT GUT
Luan konnte es nicht fassen. Vor ihm auf den Transportbetten lagen Sansibar und Kalawesi. Sie bewegten sich nicht. Beide trugen weiße Kästchen am Oberarm. Schlafen blinkte auf den Anzeigen.
„Was ist mit ihnen passiert?“, schoss es Luan durch den Kopf.
Schon hatten Prönke und ein zweiter Pfleger die beiden vorbeigeschoben. Luan wollte sie aufhalten. Ihm versagte die Stimme. Er wedelte mit der Hand. Und sein bescheuertes Sipo-Lächeln konnte er nicht abstellen.
Luan starrte ihnen mit offenem Mund nach. Sansibar und Kalawesi konnten nur zur Korrektur hier sein. Sie sollten gegen Disinformie behandelt werden, oder – ihm lief ein Schauer über den Rücken – sie waren bereits korrigiert worden. Warum denn Kalawesi?
Luan strich über sein ceeBand. 5 Stunden 12 Minuten. Er hatte ewig gebraucht, um das Holo-Kostüm zu erstellen. Selbst wenn er wollte, er hatte keine Zeit den beiden zu helfen. Warum war er nur so lange in dem Hologramm geblieben?
Luan überlegte für den Bruchteil einer Sekunde, dann war ihm klar, es gab überhaupt keine andere Möglichkeit. Er musste es tun. Luan ließ Nachos Transportbett los. Er griff in seine Tasche und zog den Laser-Raptor. Mit einem Sprung war er bei Prönke. Die Spitze des Raptors glühte.
Luan feuerte den Laser-Raptor ab. Der Schockstrahl traf Prönkes Schulter. Prönke wurde herumgerissen und brach zusammen. Ehe der andere Pfleger reagieren konnte, hatte Luan auch ihn mit dem Laser-Raptor niedergestreckt. Luans Hände zitterten. Nicht wegen der Wucht der Waffe, sondern weil er wusste, dass eine Flucht zu dritt unmöglich wäre. Aber er konnte Sansibar und Kalawesi nicht im Stich lassen!
Luan strich über den Bildschirm des kleinen weißen Kästchens an Sansibars Arm. Er hatte Mühe mit seinen großen Fingern den richtigen Knopf zu treffen. Schließlich wollte er Sansibar nicht in „Dauertiefschlaf“ versetzen.
„Nein, nicht zu den Häppy Kidz. Ich will bei Papa bleiben. Bitte“, flehte sie. Ängstlich strampelte Sansibar mit den Füßen.
Luan trat zur Seite und holte dann Kalawesi aus dem Schlaf. Dieser war viel schneller bei Bewusstsein. Doch Kalawesi freute sich kein bisschen über seine Rettung. Der lila Samtanzug bebte und sein Gesicht lief rot an. „Gesindel. Wisst ihr, wen ihr vor euch habt? Ich bin Kalawesi, der Gründer des Lunaparks“, schrie er so laut, dass sein Doppelkinn zitterte wie Wackelpudding auf hoher See.
Jetzt hatte auch Sansibar ihre Augen geöffnet und schrie. Sie zerrte an den Magnetbändern.
„Ihr müsst ja nicht vor Dankbarkeit auf den Knien rutschen, aber ein wenig Freude hätte ich schon erwartet“, brummte Luan und plötzlich wurde ihm klar, dass die
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