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Die Schattensurfer (German Edition)

Die Schattensurfer (German Edition)

Titel: Die Schattensurfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Wiest
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berührte die Einstellung Schlafen und kontrollierte die Nadel. Ohne eine Miene zu verziehen, drückte er das Kästchen mit der Nadel voraus in Kalawesis Oberarm. Kalawesi brüllte.
    Sansibar meinte den Einstich selbst zu spüren. Sie zuckte. Dann sah sie Papa, damals, so wie er vor vielen Jahren aussah. Er trug eine zerrissene Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Darüber eine Wildlederjacke mit Fransen an den Ärmeln. Obwohl es in der Wohnung stockfinster war, setzte Papa eine Sonnenbrille auf. Seine Haare standen in alle Richtungen ab. Er musste gerade aus dem Bett gekrochen sein. Er bückte sich und griff nach dem großen schwarzen Rucksack. Klamotten quollen heraus. Und obendrauf huckepack war ein rosafarbener Schlafsack festgezurrt. Das war ihr Kinderschlafsack, erinnerte sich Sansibar. Natürlich, wie hatte sie all die Jahre ihren rosafarbenen Känguruschlafsack vergessen können. „Sansibar aufstehen. Wir müssen gehen“, beugte sich Papa über die kleine Sansibar.
    „Bin müde. Will schlafen“, quengelte sie.
    Papa strich Sansibar über die Stirn: „Mein Schätzchen, wir fahren jetzt zu Mama.“
    Sansibar schnellte hoch. Kerzengerade saß sie im Bett. Sie konnte damals nicht älter als vier Jahre gewesen sein. „Mama?“, rief sie und stand auf.
    Keine zehn Minuten später verließ Papa mit Sansibar die Wohnung.
    „Wir nehmen den Scooter“, erklärte er und zeigte auf ein verrostetes Fahrzeug. Das Nummernschild war heruntergerissen und der Scheinwerfer zerbrochen.
    „Das ist nicht Papas Scooter. Der ist kaputt. Damit fahr ich nicht“, sagte Sansibar und stampfte mit dem Fuß.
    „Komm, Schätzchen! Mama wartet.“
    „Nein“, weigerte sich Sansibar. Doch ihr Vater hob sie einfach hoch und setzte sie auf den alten Scooter. Die Sitzbank war eingerissen. Das Polster hatte sich voller Wasser gesogen. Igitt war das ekelig. Sansibar begann zu schreien.
    Ihr Vater sah sich nervös um. Seine Hände zitterten, als er Sansibar beruhigen wollte. Er hielt sie an den Schultern und sah ihr in die Augen.
    „Nur dieser Scooter bringt uns zu Mama. In Wirklichkeit ist es ein verzauberter Regenbogen. Er fährt schneller als alle Scooter dieser Welt. Damit uns niemand einholen kann, bevor wir bei Mama sind.“
    Das beruhigte die kleine Sansibar ein wenig, auch wenn der nasse Po furchtbar unangenehm war. Längst trug sie keine Windel mehr. Sansibars Vater schnallte den schweren Rucksack auf den Gepäckträger. Der verzauberte Regenbogen kippte fast um und wackelte entsetzlich, als ihr Vater aufstieg. Erst beim dritten Versuch sprang der alte Motor an. Er hustete und spuckte verbranntes Öl.
    „Papa, warum stinkt der Regenbogen so?“
    „Gleich wird er sich verwandeln. Dann surfen wir auf dem glitzernden Regenbogen zu Mama.“
    Rumpelnd setzte sich der Scooter in Bewegung. Er benahm sich wie ein bockiger Esel.
    Sansibars Vater fuhr eine unbeleuchtete Straße entlang. Der zerbrochene Scheinwerfer blieb dunkel. Ihr Vater stierte in die Nacht und versuchte den Verlauf der Straße zu erkennen. Immer wieder riss er den Lenker herum. Beinahe wäre er gegen den Randstein geknallt. Dann wich er einem herausgerissenen Gullydeckel aus.
    Papa fuhr weiter. Er hatte den Gasgriff bis zum Anschlag aufgedreht. Schneller fuhr das alte Ding einfach nicht.
    Plötzlich fraßen sich von hinten zwei helle Lichter um die Kurve. Fast lautlos glitten sie näher. Nervös blickte Sansibars Vater auf den Monitor. Immer wieder. Er versuchte schneller zu fahren, aber mehr ließ sich aus dem verzauberten Regenbogen nicht herausholen. Schon waren die Lichter direkt hinter ihnen. Sie setzten zum Überholen an. Einen Augenblick später zogen zwei Sipo-Scooter an ihnen vorbei und bremsten dann ab. „Stopp, Kontrolle“, leuchtete ein rotes Hologramm auf. Papa brachte den Scooter gerade noch rechtzeitig zum Stehen. Die beiden Sipos stiegen ab und kamen auf sie zu. Ihr Lächeln blitzte in der Dunkelheit auf. Nervös rutschte Sansibars Vater auf der Sitzbank hin und her. Sansibar erschrak, als Papa sich umdrehte. Sein Gesicht war käsebleich.
    „Sansibar, du sagst jetzt einfach gar nichts. Verstehst du: Überhaupt nichts. Tu einfach so, als würdest du schlafen! Ganz fest. Du musst es mir versprechen. Du willst doch auch zu Mama?“, sagte Sansibars Vater. Seine Stimme zitterte, wie es Sansibar noch nie gehört hatte.
    „Guten Abend“, sagte einer der beiden Sipos, als er direkt vor Sansibars Vater stand. Seine Stimme klang lauernd. Der andere hielt

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