Die Schattensurfer (German Edition)
Brett ist kaputt. Hier kommst du nicht mehr weg.“
Luan versuchte so etwas wie ein Nicken. Ganz langsam begann er einen Riemen des Rucksacks über seine Schulter abzustreifen. Sie brannte. Wie herausgerissen fühlten sich seine Arme an.
Marc Bodin strahlte. „Alles wird gut, Luan, du kannst dich auf mich verlassen.“
Luan quälte ein Lächeln auf seine Lippen. Er zupfte am Rucksack herum.
„Na also, geht doch“, murmelte Marc Bodin und streckte seine Hand erwartungsvoll aus. Marcs sauber gefeilter Zeigefingernagel berührte ihn fast. Die Laser-Raptoren der Sipos sprühten Funken. Jeden Zentimeter sicherten sie ab. Keine Maus würde ihnen entkommen.
„Warum hast du das Lamrag gestohlen und in diese schreckliche Droge umgewandelt? Warum nur?“
Bockig starrte Luan zu Boden.
„Du musst es mir schon sagen. Du musst mit RUHL zusammenarbeiten. RUHL hat ein Recht darauf, alles zu wissen. Es ist nur zum Besten für die Gesellschaft.“
„NEIN!“, schrie Luan. „Das ist mein Geheimnis.“ Das Wort Geheimnis fühlte sich unendlich mächtig an. Es gab Luan Kraft. Ansatzlos drückte er sich von der Plattform ab und stürzte sich in die Tiefe.
Luan fiel auf das Maul des Zentralcomputers zu. Der Rucksack zerrte an ihm, schlug hin und her. An seinen Füßen klebte das verkohlte Skateboard. Der Bersolmotor tat keinen Mucks. Hitzewellen peitschten Luan entgegen. Die Tentakel des Zentralcomputers reckten sich ihm wie gierige Arme entgegen, bereit ihn zu packen.
Im Fallen riss er den Rucksack von der Schulter. Luan schleuderte ihn in den Rachen des Zentralcomputers und sah ihn zwischen den Tentakeln versinken. Gierig nahmen sie ihn auf. Zischend schmolz der Rucksack zu einem bunten Brei wie Himbeereis im Hochofen. Die Tentakel sogen den Brei in sich auf, als wäre er nur ein weiterer leerer Gedanke, der den Computer am Laufen hielt. Der Rucksack wurde Teil des Zentralcomputers und mit ihm das Garmal.
Luan fühlte sich unendlich leicht, auch wenn die Tentakel ihn als Nächsten aufsaugen würden. Im gleichmäßigen Rhythmus, der sich durch nichts beirren ließ, begann der Computer seinen Rachen zu schließen. Er kannte keine Notwendigkeit, sich zu beeilen oder zu warten. Nicht er richtete sich nach der Welt, sondern die Welt folgte seinem Rhythmus.
Luan drückte das Skateboard mit seiner ganzen Kraft zur Seite. Zischend tropfte die flüssige Connectormatte in den Tentakelschlund. Doch die Nase des Skateboards wand sich zitternd ab. Nur ein wenig. Aber sie zeigte nicht mehr in den Rachen, sondern zielte auf die aderndurchzogene Haut neben dem Schlund. Keinen Augenblick später schlug das Skateboard dort auf. Rappelnd rutschte Luan über den Zentralcomputer. Ohne Bersolmotor, ohne Räder war das Skateboard nichts weiter als ein verkohltes Brett. Wie auf einem Gurkenhobel schrappte Luan hinab. Er versuchte das Brett zu kontrollieren, aber die Adern des Computers gaben die Richtung vor. In wirrem Zickzack ratterte Luan hinunter. Er verlor an Höhe, raste dem Boden entgegen.
Da wandelte sich der Puls des Zentralcomputers in ein Rumpeln. Stottern mischte sich darunter, ein Röcheln. Jeder Takt erstarb. Kein Rhythmus war mehr zu erkennen. Das gleichmäßige Pumpen verzerrte sich zu einem Blähen. Und dann hauchte der Computer nur noch matt. Graue Flammen schimmerten oben aus dem Schlund. Die Haut des Computers schlug Falten. Trocken quietschte sie unter Luans Skateboard. Luan war fast unten angekommen, da bohrte sich das Brett in eine Furche. Wie angenagelt blieb es stehen. Luan konnte sich nicht halten. Er schoss einfach weiter. Er stürzte, schlug auf dem Hallenboden auf und schlitterte quer durch den Raum. Luan donnerte gegen die Wand. Sein Kopf dröhnte. Krachend fiel ihm das Skateboard vor die Füße. Luan schüttelte sich. Seine Hände tasteten nach der Wand. Langsam zog er sich hoch. Er musste weiter. Nur weg hier.
Fassungslos blickten die Sipos den Zentralcomputer an. Kein einziger beachtete Luan.
Noch einmal stöhnte der Zentralcomputer auf. Dann fiel er wie ein aufgeschlitztes Schlauchboot in sich zusammen. Leblos blieb er liegen, bestand nur noch aus fahlgrauen Fetzen, die sich meterhoch auftürmten.
Ungläubig glotzte Marc Bodin von der Plattform herab. Sein Mund stand offen. Er zerrte die Atemschutzmaske vom Kopf. Plötzlich begann sein smaragdgrüner Kristall die Farbe zu verlieren. Das Grün wurde immer heller, als würde es mit Wasser verdünnt. Bald war auch der letzte Farbschimmer ausgewaschen. Wie
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