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Die Schattensurfer (German Edition)

Die Schattensurfer (German Edition)

Titel: Die Schattensurfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Wiest
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ein Bergkristall sah er jetzt aus. Dann trübte der Kristall ein. Sein Glitzern und Schimmern verschwand. Ein stumpfes Grau drängte sich in den Vordergrund. Und schließlich saß auf Marcs Stirnband nur noch ein gewöhnlicher Kieselstein. Marc schlug die Hände vor den Kristall, als könnte er ihn schützen. „Nein, nicht der Computer“, schrie er schmerzverzerrt.
    Marc Bodin riss die Arme hoch als würde er beten. Wirr standen seine Haare ab. Sein Lächeln war verschwunden, wie ausradiert, als hätte er noch nie in seinem Leben gestrahlt. „Nicht der Computer“, schrie er noch einmal. Dann trat Marc Bodin mit aufgerissenen Augen einen Schritt nach vorne, einfach ins Leere. Er stürzte. Er fiel. Er drehte sich in der Luft, einmal, zweimal, dreimal. Dumpf schlug er auf den Kadaver des Zentralcomputers, als wäre es nur eine riesige Sprungmatte. Marc Bodin versank darin. Asche wirbelte auf. Luan hörte noch ein Stöhnen.
    Luan starrte den Zentralcomputer an. Wie ein verwesender Riesenpilz lag er vor ihm. Die Gleichgültigkeit des Garmals hatte die mächtigste Maschine der Menschheit zerstört. Die Macht von RUHL war gebrochen!

43 DER GESCHWÄTZIGE HUND
    Doktor Tornham lächelte Sansibar wie ein gefangenes Vögelchen an. Fast mitleidig blickte er auf sie herab.
    „Kämpfen, Sansibar, du musst kämpfen“, rief Kalawesi von hinten, aber seine Stimme zitterte, als würde er selbst nicht daran glauben. Er zappelte und ruderte.
    „Sei still, Kalawesi! Du bist als Nächster dran.“
    Doktor Tornhams Blick durchbohrte Sansibar. Der engmaschige Laserkescher ließ Sansibar kaum Luft zum Atmen. Sie konnte sich nicht mehr wehren.
    In aller Ruhe öffnete Doktor Tornham den Knopf seines schwarzen Seidensakkos.
    Nacho zerrte an den Kabeln und knurrte. Aber je fester er zog, umso mehr verhedderte er sich im Kabelgewirr.
    Doktor Tornham schlug die linke Seite seines Sakkos zurück und griff in die Innentasche. Langsam zog er eine silberne Box heraus. Sie war länglich, wie für einen Füllfederhalter gemacht. Doktor Tornham ließ den Deckel aufschnappen. Mit einem zufriedenen Lächeln wippte er auf den Zehenspitzen.
    Sansibar wollte schreien. Sollte wirklich alles vergeblich gewesen sein? Sie musste doch zu Mama! Sie durfte es nicht wieder verderben. Sie würde Papa kein zweites Mal verraten.
    Doktor Tornham nahm eine Spritze aus der silbernen Schachtel. Er hielt sie mit der Spitze nach oben und überzeugte sich, dass sie geladen war.
    „Einhundert Prozent reines Lamrag“, murmelte er mehr zu sich selbst als zu Sansibar. „Professor Brenius hätte dir das Lamrag sofort verpassen sollen, aber nein, der Professor meinte, er wäre Arzt und hätte Verantwortung für seine Patienten. Dabei hat er nur eine einzige Verantwortung. Die Verantwortung gegenüber RUHL. Störenfriede sind konsequent zu korrigieren. Sorgen über eine zu hohe Dosis sind fehl am Platz. Schwere Disinformie ist ein Problem für die ganze Gesellschaft, aber nicht der Ausfall eines einzelnen Patienten.“
    Doktor Tornham holte mit der Spritze aus, bereit, wie eine Cobra zuzustoßen. Für einen Moment zögerte er, aber bestimmt nicht, um Sansibar zu schonen. Ein zufriedenes Lächeln zog sich über Doktor Tornhams Gesicht. Vielleicht dachte er daran, mit dem schwarzen Kristall belohnt zu werden.
    „Nein!“, schrie Sansibar.
    Da ließ Doktor Tornham die Spritze herabsausen.
    In diesem Augenblick schoss Nacho los. Seine Muskeln schnellten wie Sprungfedern unter dem zotteligen Fell. Zeitgleich mit Doktor Tornhams Arm flog Nacho auf Sansibar zu. Das Computerkabel, das Nacho ans Regal fesselte, zerriss mit einem lauten Schnalzen.
    Und dann traf er Sansibar, als wäre eine Mauer auf sie herabgestürzt. Sansibar wurde schwarz vor Augen. Erinnerungen jagten durch ihren Kopf. Sie sah Mama in dem orangefarbenen T-Shirt mit der lila Blume vor sich. Mama lächelte und sagte: „Du musst jetzt tapfer sein, kleine Sansibar. Papa und du, ihr kommt ganz bald nach. Ich hab dich lieb.“
    Sansibars Schulter schmerzte. Sie schmeckte Hundefell zwischen den Zähnen. Nachos Fell. Es war bestimmt seit Wochen nicht mehr gewaschen worden. Nacho lag auf ihr. Das Lasernetz war in einem Kurzschluss zerrissen. Sansibar schob benommen die Reste der verglühten Fäden zur Seite.
    Jaulend rappelte sich der zottelige Hund auf, dabei tappte er Sansibar mit einer Pfote mitten ins Gesicht. „Aua“, beschwerte sie sich. Nacho bellte und jaulte und hörte überhaupt nicht mehr auf, als hätte er

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