Die Schattensurfer (German Edition)
zu zerfließen. Ihre Kraft ließ nach.
Luan kämpfte um sein Gleichgewicht. Er ruderte mit den Händen. Er wankte. Nur nicht stürzen. Seine Füße standen auf der geschmolzenen Connectormatte wie in Käsefondue getunkt. Luans Haut schien zu glühen. Er schrie. Die fehlenden Meter zogen sich schier endlos. Luan konnte die Plattform jetzt beinahe mit den Händen berühren, er sah die feine Struktur der Karbonträger. Da drehte der Bersolmotor durch. Er kreischte und pfiff. Luan verlor jede Kontrolle. Und mit einem heiseren Schlag explodierte der Motor.
Wie von einem gigantischen Hammer getroffen schoss Luan nach oben. Er flog weit über die Plattform hinaus, bis unter die Hallendecke. Dann verlor sein Skateboard an Fahrt. Verzweifelt mühte sich Luan, die Höhe zu halten. Aber die Nase des Skateboards kippte einfach ab und er fiel.
Panisch drückte Luan das Skateboard zur Seite. Seine Füße schmierten durch den Käse. Es gelang ihm, das Board auf die Plattform zu richten. Luan raste darauf zu. Viel zu schnell. Krachend schlug er auf. Seine Wirbelsäule wurde zusammengestaucht wie eine Kugelschreiberfeder. Das Skateboard knirschte als würde es zersplittern. Luan schlitterte über die Plattform, auf den Abgrund zu. Er versuchte, das Board zu verkanten. Funken stoben auf. Seine Beine zitterten. Sie fühlten sich an, als würden sie brechen. Luan schleuderte sein Board herum. Da wurde er gegen die Eisenstange des Geländers geschlagen. Luan griff zu. Er packte die Stange. Ganz fest. Seine Arme wurden fast aus den Schultergelenken gerissen. Seine Muskeln boten nicht mehr Widerstand als ein ausgeleierter Hosengummi. Ohnmacht wollte ihn von seinen Schmerzen befreien. Luan kämpfte mit Tränen dagegen an. Er schlug seine Zähne in die Unterlippe. Der stumpfe Blutgeschmack hielt ihn bei Bewusstsein.
Und mit einem Ruck blieb er stehen. Direkt unter ihm öffnete sich der Zentralcomputer in seinem gleichmäßigen Rhythmus. Luan blickte in den Hauptspeicher, dort, wo die Gedanken aller Menschen den mächtigsten Computer der Welt mit Energie versorgten. Die gesamte Menschheit hatte dieses Wunderwerk gemeinsam erschaffen. Jeder einzelne hatte seinen Teil dazu beigetragen. Und ausgerechnet er sollte es zerstören?
Der heiße Körper des Zentralcomputers pumpte sich auf. Die von Adern durchzogene Haut schien wie ein Lebewesen zu atmen. Glühende Tentakel wogten im Inneren des Computers hin und her. Luan hatte noch nie etwas Aufregenderes gesehen. Das rote Glühen verdichtete sich im Inneren zu einem heißen Sonnengelb und schimmerte weiter außen samtbraun.
Pablo, er musste Pablo retten und Sansibar und Kalawesi. Sie würden doch auch alles für ihn tun. Diese Gedanken holten Luan zurück in die Wirklichkeit. Das leise Zischen einer Tür drang zu ihm durch. Luan drehte seinen Kopf. Marc Bodin und vier Sipos traten aus dem Aufzug auf die Plattform. Sie hielten ihre Laser-Raptoren im Anschlag. Marc Bodin lächelte. Selbst unter dem Glas der Schutzmaske strahlten seine Zähne in perfektem Weiß.
„Luan, es hat doch keinen Sinn“, sagte Marc so freundlich, als würde er ihm ein Stück Erdbeertorte anbieten. „Du hast keine Chance, im Kristallamt zu entkommen.“
Lässig schlenderte Marc Bodin heran. Seine Segeltuchschuhe schlappten im Rhythmus von Ferien und Strand. Er streckte seine rechte Hand aus. „Gib mir den Rucksack!“
Luans Hände krampften sich immer noch um das Geländer. Sie wollten nicht loslassen. Verzweifelt spähte Luan zum Zentralcomputer hinab. Pulsierend öffnete und schloss der Computer sein Maul.
„Beeindruckend, nicht wahr?“, meinte Marc.
Luan nickte stumm.
„Du hast wirklich Talent. Gemeinsam könnten wir großartige Dinge programmieren. Der Lunapark ist doch nur der Anfang, auch wenn Kalawesi, dieser alte Trottel, das nicht versteht. Ich werde bei RUHL ein gutes Wort für dich einlegen. RUHL ist großzügig. Aber es liegt an dir, jetzt den nächsten Schritt zu tun. Du musst beweisen, dass du nicht nur intelligent bist, sondern es auch verdienst, für RUHL zu arbeiten. Mach es dir doch nicht so schwer.“
Luan dachte an Pablo. Pablo würde auf ihn warten. Pablo glaubte an ihn. Pablo vertraute ihm. 1 Stunde 22 Minuten blinkte auf seinem ceeBand in roten Ziffern.
Marc trat noch einen Schritt näher. „Ich brauche deine Entscheidung – jetzt“, und zum ersten Mal klang Marc Bodins Stimme bedrohlich, nicht mehr nach Erdbeertorte. Die Sipos schnitten Luan den Fluchtweg ab. „Dein fliegendes
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