Die Schattensurfer (German Edition)
sie. Langsam rieselte das Pulver herab.
Der hinterste brüllte noch: „Achtung! Das ist eine Falle.“
Aber der mit dem Stern hatte das Garmal schon aufgesogen und murmelte: „Na und, ist mir doch egal.“
„Ich habe keine Lust mehr. Ich will nach Hause“, meinte der zweite. Der dritte drehte sich einfach um und stapfte wortlos davon.
Da ließ auch der hinterste seine Waffen fallen und murmelte: „Ganz genau, das geht uns doch nichts an.“
„Hey, Kumpel“, sagte Luan. „Kannst du die Lichtschleuse für mich öffnen?“
Der Sipo zuckte mit den Schultern. „Interessiert mich nicht. Mach es doch selbst.“
„Bitte!“, flehte Luan. „Du bekommst auch eine Tafel Schokolade.“
„Eine ganze Tafel?“
Luan nickte.
Lächelnd drehte sich der Sipo zur Lichtschleuse und ließ sie aufschnappen. Luan fühlte sich mulmig. Natürlich hatte er keine Schokolade bei sich.
Aber die hatte der Sipo längst vergessen. Er drehte sich zur Seite und ging einfach davon. Die Schleuse zum Zentralcomputer stand offen. Luan zögerte einen Augenblick. Dann trat er ein. Einfach so. Niemand hinderte ihn daran. Er stand im Allerheiligsten von RUHL.
Luan hatte schon viel über den RUHL-Zentralcomputer gelesen und gehört. Doch was er jetzt sah, überwältigte ihn. Für einen Moment vergaß er, warum er hier war. Bewundernd blickte er auf das rötlich schimmernde Gebilde. Kirchturmhoch ragte es auf. Es war bestimmt zwanzig oder dreißig Meter hoch. Die Form des Zentralcomputers erinnerte Luan an eine Birne. Unten wölbte sich der Computer breit und rund. Nach oben verjüngte er sich. Die rötliche Außenhaut schien zu leben. Der Zentralcomputer pulsierte, als würde er atmen. Er pumpte sich auf, um Sekunden später wieder zu schrumpfen. Ein auf- und abschwellendes Brummen begleitete die Bewegungen.
Ehrfürchtig trat Luan näher. Sein Mund stand offen. Das war der beste Computer, den die Menschheit jemals entwickelt hatte. Jeder einzelne hatte durch seine Gedanken mitgeholfen. Aber nicht einmal das größte Genie konnte dieses Meisterwerk vollständig verstehen. Die Computersteuerung des Golden Surfers nahm sich dagegen wie Spielzeug aus. Luan starrte den Computer an. Sekunden verstrichen.
Es fiel Luan schwer seinen Blick loszureißen. Gegenüber dem Zentralcomputer an die Hallenwand montiert, führte ein Aufzug nach oben. Er reichte bis zu einer Plattform, die wie ein Sprungbrett über den höchsten Punkt des Computers ragte. Natürlich wusste er, dass dort oben der Hauptspeicher untergebracht war, im Kopf des Computers. Von der Plattform müsste Luan das Garmal einfüllen.
Stumm stand Luan davor. Der Zentralcomputer zog seinen Blick magisch an. Ein borkiges Muster schlängelte sich wie Adern über die Außenhaut des Computers. Luan wollte den Computer berühren. Nur ein einziges Mal. Ganz vorsichtig streckte er seinen Zeigefinger aus. Luan hielt den Atem an. Als sich der Zentralcomputer erneut aufpumpte, berührte seine Fingerkuppe die rot schimmernde Außenhaut.
Sie fühlte sich samtig an und warm. Luan spürte sie unter seinen Fingern atmen. Die Haut war weich wie eine Mango und doch elastisch wie ein Gummiband. Luan hatte das Gefühl, einen lebenden Körper zu berühren. Sein Zeigefinger schien daran festzukleben. Nicht, dass er ihn nicht mehr lösen konnte. Er wollte nicht. Ihm fehlte der Wille. Mit jedem Pumpen des Computers atmete er ein und aus. Er folgte dem Rhythmus, den der Computer vorgab.
„Luan“, hörte er eine gedämpfte Stimme. Sie kam von der Rückseite des Computers. Natürlich kannte er diese Stimme. Eine Stimme, die er aus tausend anderen herausgehört hätte, auch wenn sie wie unter einem Wattebausch hervor klang.
„Fühlst du die Macht des Zentralcomputers? Du könntest Teil dieser Macht sein, mit deiner Begabung ganz bestimmt. Warum hast du nur alles weggeworfen?“
„Marc?“, fragte Luan. Natürlich war diese Frage überflüssig. Luan wusste es.
Ohne sich zu zeigen, fuhr Marc Bodin fort: „Statt die Macht zu ergreifen, sie wie eine Welle zu reiten, hast du dich für Pablo und die Schattensurfer entschieden, diese jämmerlichen Trottel. Leichtfertig hast du alles verspielt. Wirklich schade. Warum hast du nicht auf mich gehört? Zusammen hätten wir etwas richtig Großes erschaffen können, im Dienste von RUHL zum Wohle der gesamten Menschheit.“
Jahrelang hatte er Marc Bodin wie einen Star vergöttert. Vielleicht hasste er ihn gerade dafür. Alle hatte Marc verraten.
Mit seiner Wut
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