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Die Schattensurfer (German Edition)

Die Schattensurfer (German Edition)

Titel: Die Schattensurfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Wiest
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    Spezialklink für Disinformie, Berager Allee 108, Süd-Mallinport.
    Sansibar las nur das Wort: Disinformie. Sie wollte schreien. Nein, sie war nicht krank. Warum verstand das niemand. Mit solch zorniger Wut, dass sich nicht einmal Doktor Tornham wehren konnte, wischte Sansibar sein Bild von ihrem TwaddleBand. Dabei rumpelte sie mit dem Arm gegen den Stapel Nagellackautomaten. Der Turm schwankte. Und wie in Zeitlupe rutschte der oberste herunter. Sansibar sah den Nagellackautomaten fallen. Zu spät, sie bekam ihn nicht mehr zu fassen. Klirrend zersprang er auf dem Boden. Roter Nagellack lief aus als wäre es Blut. Mit den Händen flatternd kam die Verkäuferin angerannt. „Was hast du nur angestellt, mein Kind? Du hast ihn kaputt gemacht. Du musst ihn bezahlen.“
    Sansibar hatte keine Lust, mit der Verkäuferin zu streiten und ihr letztes Geld wollte sie bestimmt nicht für einen blöden Nagellackautomaten ausgeben. Mit einem großen Schritt drückte sich Sansibar in die Menge der vorbeischiebenden Passanten und verschwand darin wie ein Sandkorn am Strand.
    Nein, krank war sie nicht. In die Klinik für Disinformie würde sie niemals gehen.
    Es dauerte keine drei Minuten, da blinkte das Bild ihres Vaters wieder auf. „Sansibar, mein Schätzchen, geh doch ran.“
    Widerwillig nahm Sansibar den Anruf an. Der Kaugummi klebte noch auf der Kamera. „Ja, was ist?“, motzte sie ins Mikrofon.
    „Dein Lehrer, Doktor Tornham, hat sich gemeldet. Er meinte, es geht dir nicht gut, mein Liebling.“
    „Quatsch! Du verstehst gar nichts.“
    „Sansibar, du darfst das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Es gibt Menschen, die können dir helfen. Du musst nicht alleine hingehen. Ich komme mit. Ich habe alle Termine abgesagt. Wir treffen uns gleich in der Berager Allee. Die können das in Ordnung bringen.“
    „Warum sprichst du es nicht aus? Warum sagst du nicht, dass du mich auch für disinformiekrank hältst.“
    „Reg dich nicht auf, mein Schätzchen. Die bekommen das hin.“
    „Niemals gehe ich in das bescheuerte Krankenhaus“, sagte Sansibar trotzig, um sich selbst Mut zu machen.
    „Sansibar, es ist das Beste für dich. Du musst. Ich kenn mich da aus. Ich weiß, wie …“
    „Nein!“, brüllte Sansibar so laut, dass sich die Menschen neben ihr umdrehten. Für einen Moment schienen sie ihre Einkäufe zu vergessen und in Sansibars Leben einzutauchen. Doch im nächsten Augenblick hasteten sie wieder weiter.
    Irgendwie fühlte sich Sansibar erleichtert. Sie hatte beschlossen, auf keinen Fall in dieses Krankenhaus gehen.
    „Dann komm nach Hause, mein Kind. Wir reden darüber. Wir finden eine Lösung. Ich habe meine Termine abgesagt“, drängte ihr Vater. „Bitte.“
    Sansibar setzte ein glasklares Nein entgegen, das wie eine Murmel auf einen Marmorboden fiel.
    „Sansibar, halt …“, flehte Papa jetzt. Doch da schnippte ihn Sansibar aus ihrem TwaddleBand und der Bildschirm zeigte in großen leuchtenden Buchstaben nur noch die Uhrzeit: 15:53.
    Mit zufriedenem Zorn setzte sich Sansibar auf eine Betonmauer am Rand der Fußgängerzone. Menschen strömten vorbei. Ihre bunten Kristalle blinkten fröhlich wie Lichterketten durch das Menschenmeer: rote, gelbe, orangefarbene, violette und Sansibar sah sogar einen blauen. Alle Gedanken dieser Menschen landeten im Zentralcomputer von RUHL. Sansibar hatte sich entschieden. Sie würde dabei nicht mitmachen. Sie würde das Geheimnis ihrer Mutter für sich behalten. Und auch das Treffen mit Luan ging niemanden etwas an.
    Sansibar starrte in die Menge. Die Menschen schienen ineinander zu verschwimmen. Sie verschmolzen zu einer bunten Masse. Und bald schwappte vor ihren Augen nur noch ein Farbbrei durch die Einkaufsstraße.
    Unentwegt blinkte ihr TwaddleBand auf. Es leuchtet, vibrierte, summte und piepste. Sansibar war egal, ob es Papa, Marella, Doktor Tornham oder einer ihrer Freunde war. Sie wollte mit niemandem sprechen. Stumpf drückte sie die Nachrichten weg.
    „Alles klar, Sansibar?“, drängelte sich eine Meldung von Naul in den Vordergrund, ließ sich nicht löschen und das Bild eines goldenen Drachen leuchtete auf.
    Blöde Frage, gar nichts war klar. Wer war dieser Naul? Sansibar kannte ihn nicht. Nicht dass sie all ihre Freunde kannte, aber diesen goldenen Drachen hatte sie noch nie gesehen, bestimmt nicht. Und Naul, was war das überhaupt für ein bescheuerter Name?
    Wieso gelang es Naul sich mit höchster Wichtigkeit zu melden. Nur Papa wusste den

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