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Die Schattensurfer (German Edition)

Die Schattensurfer (German Edition)

Titel: Die Schattensurfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Wiest
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musste ihm doch helfen können.
    Vor dem Kristallamt bekam Djerbo einen Anfall. Er zuckte am ganzen Körper. Schließlich brach er auf der Türschwelle ohnmächtig zusammen. Aber vielleicht war das auch besser so.
    Die Leute im Kristallamt waren sehr freundlich und halfen Djerbo. Sie wiesen den Jungen in eine Spezialklink für Disinformie ein. Das war kein großes Ding. Die Ärzte sagten, Disinformie wäre einfach zu heilen, auch wenn niemand über diese Krankheit reden wollte. Disinformie ist allen so schrecklich peinlich und wird immer noch totgeschwiegen. Die Ärzte behandelten Djerbo mit Lamrag. Nur eine halbe Tablette jeden Tag. Das Ergebnis verblüffte alle, die den bockigen und egoistischen Jungen erlebt hatten. Nach wenigen Wochen hatte sich Djerbo total verändert. Er begann unbeschwert zu erzählen. Eine richtige Plaudertasche wurde er. Die Lehrer in der Schule kriegten sich vor Lob überhaupt nicht mehr ein. Djerbo wurde ein richtiger Superschüler und bestand die Kristallprüfung mit voller Punktzahl. Seine Eltern konnten ihr Glück gar nicht fassen.“ Marella machte eine bedeutungsschwere Pause, bevor sie weitersprach: „Von nun an setzte Djerbo alles daran, um der Gesellschaft zu helfen. Wann immer es möglich war. Er machte schnell Karriere. Heute arbeitet Djerbo als Abteilungsleiter im Kristallamt. Sein Kristall schimmert in Smaragdgrün. Und das, obwohl er noch keine 40 ist. Den solltest du dir als Vorbild nehmen. Djerbo hat es wirklich geschafft.“
    Sansibar lief es kalt den Rücken hinunter. Was für eine schreckliche Geschichte. Natürlich litt sie nicht an dieser grauenvollen Krankheit. Ganz bestimmt nicht. Sie war gesund. Ihr Fall war nicht mit Djerbo zu vergleichen.
    Ohne auf eine Antwort von Sansibar zu warten, plauderte Marella munter weiter: „Ich bin mir übrigens ganz sicher, dass mein Kristall eine erste zarte Gelbfärbung hat. Wenn man ein Glas Wasser danebenhält, sieht man den Unterschied. Hannah hat es mir bestätigt. Vielleicht schaffe ich es bis zum Ende des Jahres, offiziell als Gelbträgerin geführt zu werden.“
    „Hoffentlich“, murmelte Sansibar abwesend und wischte Marella vom Bildschirm. Marella verstand gar nichts.
    Da ploppte das Bild von Papa auf. „Wie geht es dir, meine Kleine? Hast du den Test bestanden?“
    „Weiß nicht.“
    „Wieso? Das musst du doch wissen!“
    „Die Ergebnisse werden erst auf der Kristallfeier bekannt gegeben, am Sonntag.“
    „Du hast es bestimmt geschafft. Ganz sicher, mein Schatz.“
    „Ja“, presste Sansibar hervor. Warum sagte sie Papa nicht einfach die Wahrheit? Sie hätte Papas komisches Gesicht aushalten müssen, aber dann wäre die Sache erledigt gewesen. „Komme heute Abend nicht nach Hause. Übernachte bei Marella“, schwindelte sie in ihr TwaddleBand.
    „Du hast recht, mein Schatz. Feier schön mit deiner Freundin. Ich muss heute Abend sowieso etwas länger arbeiten. Die Vereinfachungsverordnung für verordnete Zugangsformulare wartet auf mich“, sagte er und winkte Sansibar mit schlackernder Hand wie einem Kleinkind zu. Das machte er immer so. Eigentlich mochte es Sansibar, aber heute hätte sie ihm dafür am liebsten eine gescheuert. Überhaupt, Papa arbeitete die ganze Zeit, immer. Nie hatte er Zeit.
    „Tschüss“, ranzte sie in ihr TwaddleBand und wischte Papas Bild weg.
    Genervt drehte Sansibar eine weitere Runde in der Fußgängerzone. Schnäppchen sprangen sie an. Aber die interessierten sie nicht. Nicht einmal der Nagellackautomat, obwohl er auf 5,99 heruntergesetzt war. Er konnte sogar 3D-Bilder auflackieren. Deine Freundin Marella hat diesen wunderbaren Nagellack–automaten auch gekauft, blinkte eine Empfehlung auf ihrem TwaddleBand. „Ist mir doch egal“, ärgerte sich Sansibar.
    Trotz des Gedränges fühlte sich Sansibar schrecklich einsam.
    Freunde schickten Sansibar Glückwünsche. Sansibar pustete alles vom Bildschirm. Sie wollte von niemandem etwas hören. Sansibar ließ sich durch die Menge schieben.
    Da drückte sich ein neues Bild auf ihr TwaddleBand. Es schob sich mit höchster Wichtigkeit in den Vordergrund, überdeckte alle anderen und ließ sich nicht so einfach vom Bildschirm wischen. Sansibar erschrak, als sie Doktor Tornham erkannte. Sein tiefblauer Kristall funkelte wie ein drittes Auge auf der Stirn. Er lächelte, als wäre alles in bester Ordnung, aber Sansibar wusste, jetzt würde der Ärger beginnen.
    „Guten Tag, Doktor Tornham“, tippte Sansibar.
    „Schön, dass du rangehst,

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