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Die Schattensurfer (German Edition)

Die Schattensurfer (German Edition)

Titel: Die Schattensurfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Wiest
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Transportröhre hielt. Die Glastüren fuhren auf.
    „So nicht mein Bürschchen! Ich erwarte eine ordentliche Entschuldigung von dir“, belferte der Mann mit den Lackschuhen.
    „Hab mich doch schon entschuldigt. Ich muss jetzt aussteigen“, murmelte Luan. Er versuchte sein Gesicht hinter dem Rucksack zu verbergen. Der Ausschnitt seines T-Shirts zog sich wie eine Schlinge um seinen Hals. Nacho bellte.
    „Willst du mir wohl in die Augen schauen und um Entschuldigung bitten?“, schimpfte der Anzugsheini. Mit den Absätzen seiner Lackschuhe stampfte er auf den Boden. „Und pfeif gefälligst dein Robopet zurück. Sonst lasse ich es deaktivieren.“
    Menschen strömten aus der Transportröhre. Andere kamen herein.
    „Ich muss raus“, rief Luan voller Panik. Die Harfe erklang aus dem Lautsprecher. Luan versuchte sich loszureißen, aber je mehr er zog, umso fester packte der Mann zu.
    „Ich rufe die Sipos. Die werden dir schon Manieren beibringen.“ Der Mann versuchte, Nacho auszuweichen.
    Die gläsernen Türen der Transportröhre schlossen sich. Luan versuchte seine Hand durch den letzten Spalt zu schieben, aber seine Finger reichten nicht bis zur Tür.
    Die Fahrgäste blickten konzentriert in ihre Kommunikatoren oder starrten Löcher in den Boden. Niemand wollte sich in den Streit einmischen. Nur der alte Mann lächelte Luan aufmunternd zu. Luan verstand nicht, was er sagen wollte.
    Die Transportröhre zischte los.
    Der Anzugsheini hielt Luan immer noch am Schlafittchen gepackt. Die andere Hand hatte er in die Luft gestreckt. Er winkte aufgeregt.
    Luan wollte das Blut in den Adern gefrieren. Dort hinten, vom anderen Ende der Glasröhre kamen zwei Sipos näher. Hatten sie den Anzugsheini schon gesehen? Sie steuerten freundlich lächelnd auf ihn zu. Ihre blauen Sonnenbrillen blitzten.
    „Ja, ja, schau nur genau hin. Da kommen die Sipos. Sie werden dein ungebührliches Benehmen in der RUHL-Datenbank eintragen.“ Der Mann im Anzug grinste zufrieden. Mit dem Ärmel polierte er über seinen dunkelgrünen Kristall.
    „Bitte, lassen Sie mich gehen“, versuchte es Luan noch einmal. „Ich möchte in diesem Jahr meine Kristallprüfung ablegen. Mit einem Eintrag in der Datenbank kann ich das komplett vergessen.“
    „Ganz genau“, frohlockte der Anzugsheini.
    Jetzt waren die Sipos fast bei dem alten Mann. Luan blieb nichts anderes übrig. Er würde den Laser-Raptor ziehen. So einfach würde er sich nicht gefangen nehmen lassen. Mit einer Hand tastete er in seine Tasche. Er spürte den weichen Gummigriff. Und Nacho würde ihm auch helfen, wenn es darauf ankam.
    Der alte Mann lächelte Luan zuversichtlich an. In dem Moment, als die Sipos an dem alten Mann vorbeigingen, nahm dieser seinen Gehstock und stieß ihn mit zittrigen Händen in den Gang, genau zwischen die Beine der Sipos. Der erste Sipo stolperte. Der zweite fiel über den ersten. Mit einem Aufschrei sprangen die anderen Fahrgäste zur Seite. Geschmeidig wie Tiger waren die Sipos sofort wieder auf den Beinen. Sie schienen ihr Lächeln verloren zu haben und schnauzten den alten Mann an. Er versuchte zu beschwichtigen, bat immer wieder um Entschuldigung.
    Luan merkte, wie sich der Griff an seinem T-Shirt lockerte. Auch der Anzugsheini starrte neugierig zu dem alten Mann und den Sipos hinüber. Er schien Luan für einen Augenblick zu vergessen.
    Da hielt die Transportröhre an und die halbrunden Glastüren fuhren zur Seite. Luan riss sich von dem Anzugsheini los und spurtete zwischen den Fahrgästen nach draußen. Nacho sprang begeistert hinterher.
    Der Anzugsheini schien es nicht einmal zu bemerken. Die Aufregung um den alten Mann hielt ihn im Bann.
    Luan tauchte in der Menschenmenge auf dem Bahnsteig unter, wie ein Puzzleteil unter tausend anderen. Zwischen all den Leuten hindurch sah Luan noch einmal den alten Mann. Er zwinkerte Luan zu, ganz deutlich, und hob lächelnd die Hand.
    Schon erklangen die Harfen und die Türen der Transportröhre wurden geschlossen. Geräuschlos setzte sie sich in Bewegung und verschwand Augenblicke später im Tunnel. Erleichtert blickte Luan auf das Bahnsteigschild: Brenius-Klink. 22 Stunden 10 Minuten zeigte sein ceeBand an. Er hätte sich gerne noch bei dem alten Mann bedankt.

29 DER FALL MATTUSCHKE
    Die Menschen auf dem Bahnsteig hatten es eilig. Sie strebten dem Ausgang entgegen. Einige Männer trugen hellblaue Jacken und Hosen, fast wie Schlafanzüge. Ihre Kristalle blinkten in blassem Gelb. Nur wenige hatten Orange erreicht.

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