Die Schattensurfer (German Edition)
Im Boden eingelassene Leuchtpfeile wiesen den Weg zur Brenius-Klinik. Von den Werbe-Hologrammen an den Wänden lächelten junge Menschen zuversichtlich herab. Alle wiederholten den immer gleichen Satz: „Wir hatten Disinformie. Na und!“.
Die Menschen hasteten an den Hologrammen vorbei, ohne ein einziges Mal aufzusehen. Luan folgte ihnen. Ein Transportband führte an die Oberfläche. Luan blieb im Ausgang der Station stehen. Eine palmengesäumte Allee führte auf das Korrekturhaus zu. Wie eine Festung lag das Krankenhaus für Disinformie vor ihm. Eine kristallglitzernde Mauer zog sich kilometerlang um einen verspiegelten Würfel. Nebelschwaden stiegen von einem See auf.
Luan schluckte. Er hatte ein gewöhnliches Krankenhaus erwartet, das er einfach betreten konnte. Sicher, er hätte am Empfang vorbeischleichen müssen. Das hätte er bestimmt irgendwie geschafft. Aber diese Hochsicherheitsanlage war etwas völlig anderes. Wie sollte er da hineinkommen? Und der Bersolmotor röhrte viel zu laut, um mit dem Skateboard über die Mauer zu springen. Die ganze Wachmannschaft würde ihn erwarten, ehe er gelandet wäre.
Luan blieb beim Ausgang der Bahnhofsstation stehen. Er drückte sich hinter einen Mauervorsprung. Er zog Nacho ganz dicht zu sich heran. Niemand schien die beiden zu beachten.
Nervös strich Luan über seinen Kommunikator. Er brauchte den nächsten Hinweis. Lucilia lächelte Luan vom Bildschirm an: „Meinen Glückwunsch Luan, du hast schon viel erreicht. Nun folgt die nächste Aufgabe. Es ist leider unmöglich, die Sicherheitssysteme des Korrekturhauses zu überwinden.“
„Na prima, warum schickt ihr mich dann hierher?“
„Das Krankenhaus für Disinformie liegt vor dir: der verspiegelte Würfel. Es ist von einem quadratischen See umgeben. Der See mit den blauen Wellen sieht friedlich aus. Allerdings handelt es sich um keinen gewöhnlichen See. Statt mit Wasser ist er mit reiner Kursolsäure gefüllt. Kursolsäure löst jeden Körper in wenigen Sekunden auf. Nicht einmal ein Stahlboot könnte dieser Säure standhalten. Es würde zerlaufen wie Butter in der Pfanne. Und die aufsteigenden Kursoldämpfe würden einen Hubschrauber, der das Krankenhaus überfliegt, wie Honig vom Himmel tropfen lassen.“
Ärgerlich schnaubte Luan in die Kamera: „Was soll ich dann hier?“
„Nur ein einziger Weg führt in das Krankenhaus: Ein Tunnel aus gehärtetem Kursolglas, dem einzigen Material, das der Säure widersteht.“
„Und durch diesen Tunnel kann ich einfach so hineinspazieren? Er ist bestimmt unbewacht. Heute ist wahrscheinlich Tag der offenen Tür“, bemerkte Luan säuerlich.
„Nein, es sind alle nur erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen, damit niemand das Korrekturhaus unerlaubt betritt. Der Tunnel ist mit einer Triplex-Laseranlage gesichert. Sie sieht unscheinbar aus, aber nach unseren Erkenntnissen kann sie nicht überwunden werden. Bisher hat es noch niemand geschafft sie auszuschalten.“
„Danke für euer Vertrauen, aber wie soll ich das schaffen?“
„Dennoch gibt es eine Möglichkeit, ganz einfach in das Korrekturhaus zu gelangen.“
„Wie denn?“, drängelte Luan. Ihm ging die Geheimniskrämerei gehörig auf die Nerven.
„Als Patient“, sagte Lucilia.
Luan schluckte. „Nein, das kommt nicht infrage. Auf gar keinen Fall“, rief er in sein ceeBand.
Die Garmal-Sammlerin zeigte keine Regung. Ihre Augen bewegten sich nicht, als sie sagte: „Luan, wir haben eine Patientenakte für dich vorbereitet und sie auf den Computer des Korrekturhauses geschmuggelt. Es ist alles geregelt. Du wirst erwartet.“
Luan schüttelte trotzig den Kopf: „Da mache ich nicht mit.“
„Pablo braucht deine Hilfe“, sagte Lucilia und schickte Luans Patientenakte aufs ceeBand. Widerwillig nahm Luan die Akte an. Er sah sein Hologramm oben auf der Akte. Daneben stand Moritz Mattuschke, schwere Disinformie, freiwillige Einweisung.
„Musste es unbedingt schwere Disinformie sein? Und dieser Name“, motzte Luan. Aber insgeheim wusste er längst, dass Lucilia recht hatte. Es gab keinen anderen Weg in das Korrekturhaus und hoffentlich auch wieder heraus. Er musste es für Pablo tun. Luan kämpfte gegen Tränen an. Mattuschke, so ein bescheuerter Name.
„Nur die schweren Fälle werden in den Untergeschossen behandelt. Dort lagern auch die Medikamente, die Lamrag-Vorräte. Du schaffst es! Ich wünsche dir alles Gute.“ Lucilias Bild löste sich auf wie in Kursolsäure getunkt.
„Halt! Warte!“,
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