Die Schattensurfer (German Edition)
Spiel nicht mehr zu verstehen. Luan hetzte zurück in den Aufzug. Der blöde Aufzug fuhr viel zu langsam. Als sich die Aufzugstür endlich unten öffnete, ließ Luan das Skateboard aus seinen Händen gleiten und sprang auf. Gemächlich trabte Nacho nebenher, bis er sich bequemte, vorne auf das Skateboard zu springen. Es schlingerte.
Luan fuhr unkonzentriert. Beinahe wäre er gegen eine abgerissene Straßenlampe gestoßen. Es ließ ihm keine Ruhe, dass er niemanden im Quartier angetroffen hatte. Er hätte ihnen eine Nachricht hinterlassen sollen. Wo waren die anderen nur? Luan konnte sich keinen Reim darauf machen. Um diese Uhrzeit, in aller Früh, kurz nach Sonnenaufgang. Normalerweise schliefen sie mindestens bis acht. Auch über sein ceeBand konnte er niemanden erreichen. Sie hatten ihre Kommunikatoren abgeschaltet oder keinen Empfang. Aber bis auf den Bereich an der Dunklen Mauer gab es in der Schattenstadt überall guten Empfang. Wo waren sie nur? Und plötzlich drängte sich eine Vermutung auf: Die anderen führten irgend so ein dämliches Experiment mit den Wandernden Wänden durch. Genau, das musste es sein. Auf einem Sportplatz würden sie das bescheuerte Spiel ausprobieren. Und weil sie sich wichtig machten und alles für super geheim hielten, hatten sie ihre Kommunikatoren deaktiviert – diese Angeber. Wenigstens Sansibar hätte im Quartier auf ihn warten können. Er hatte sich so gefreut, sie zu sehen!
Vor Luan tauchte die planierte Schneise auf. Dahinter ragte die Dunkle Mauer in den Himmel, viel höher als Luan sie in Erinnerung hatte. Kein Schimmer, kein Leuchten, nicht den kleinsten Hauch einer Farbe konnten die flachen Sonnenstrahlen der Mauer entlocken. Sie verschluckte alles Licht, als wäre noch immer tiefste Nacht.
Luan schluckte. Er wischte sich seine Hände an der Hose ab. „Jetzt wird es ernst, Nacho.“ Er hätte Nacho im Quartier der Schattensurfer zurücklassen sollen oder bei Pablo. Das wäre einfacher gewesen. Aber irgendwie fühlte er sich in Begleitung des zotteligen Hundes sicherer. Vielleicht könnte Nacho wirklich das Lamrag aufspüren.
Luan drehte an den Einstellungen des Bersolmotors. Er erhöhte die zulässige Drehzahl und vervierfachte den Turbodruck. Eigentlich war das Wahnsinn. Vielleicht flog ihm das kleine Motörchen um die Ohren oder überhitzte und fraß sich fest. Trotzdem hatte Luan keine Wahl. Er musste die ganze Kraft aus dem Motor herausquetschen für den Sprung über die Mauer. Nacho und er zusammen waren eigentlich viel zu schwer.
„Festhalten!“, befahl Luan. Der Bersolmotor surrte. Dann trat Luan voll durch. Der Motor dröhnte wie ein aufgebohrter Rasenmähermotor. Der Lärm musste bis weit nach Mallinport zu hören sein. Egal. Das Skateboard schoss auf die schwarze Mauer zu, viel schneller als Luan jemals mit einem Skateboard gefahren war. Nacho wurde vom Fahrtwind nach hinten gepresst. Luan krallte sich auf der Connectormatte fest. Ohne die Matte hätte Nacho ihn längst vom Board gedrückt.
Die Mauer flog auf ihn zu. Immer näher, immer schneller. Luan hatte Hundehaare im Gesicht, sah kaum etwas. Er versuchte, das Skateboard mit aller Kraft hochzureißen. Doch der dicke Hund war viel zu schwer. Das Skateboard ließ sich nicht ankippen. Es neigte sich viel zu wenig. Niemals würde das ausreichen. So würden sie einfach gegen die Mauer donnern, an ihr zerschellen.
Doch in dem Augenblick, bevor sie die Mauer berührten, lehnte sich Nacho zu Seite, verlagerte sein Gewicht und legte sich in die Kurve wie ein absoluter Weltklasse-Boarder. Das Skateboard kippte ab und schoss die Dunkle Mauer hinauf. Luan und Nacho rasten in den Himmel, direkt auf die Sonne zu. Luan jauchzte und Nacho heulte. Für den Bruchteil einer Sekunde vergaß Luan den Schlamassel, in dem er eigentlich steckte.
Das Skateboard hatte so viel Schwung, dass sie oben auf der Mauerkante ritten wie auf einer Monsterwelle. Hundert Meter schossen sie dahin. Erst als sie etwas Fahrt verloren hatten, wagte Luan auf der anderen Seite der Mauer nach Mallinport hinunterzugleiten.
Luan hörte Sipo-Sirenen in der Ferne aufheulen. Sie jagten näher. Natürlich suchten sie ihn. Die Überwachungskameras hatten seinen Ritt über die Mauer längst aufgezeichnet. Hoffentlich würde ihm Kalawesi noch einmal verzeihen. Ein einziges Mal noch. Bitte. Marc würde bestimmt ein gutes Wort für ihn einlegen. Aber wenn er es nicht schaffte das Lamrag zu besorgen, wäre sowieso alles egal. Er musste Pablo
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