Die Schattenträumerin
in den Büchern ihres Großvaters nach Hinweisen auf das Necronomicon. Es war anstrengender, als sie gedacht hatte – die Bücher waren oft so alt, dass sie Mühe hatte, die Schrift zu entziffern und auch die Sprache war alles andere als leicht verständlich. Dazu kam, dass Fiorella ungeduldig neben ihr saß und Francesca alle fünf Minuten fragte, ob sie schon auf etwas Interessantes gestoßen sei.
Durch ihre Blindheit war sie zu absoluter Untätigkeit verdammt und Francesca spürte, wie sehr ihr dies zu schaffen machte. Fiorella war derart nervös und angespannt, dass sie seit Tagen unter Kopfschmerzen litt. Zwar versuchte sie sich nichts anmerken zu lassen, doch Francesca hatte sie immer wieder dabei beobachtet, wie sie sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Schläfen massierte. Doch auch wenn ihre Großmutter ihr nicht helfen konnte, die Bücher durchzuarbeiten, tat sie alles Übrige, um Francesca zu unterstützen. So hatte sie den anderen Familienmitgliedern erzählt, dass Francesca durch den Schock über Baldinis Tod unbedingt Ruhe brauchte, sie selbst sich um ihre Enkelin kümmern müsse und sie beide deswegen erst einmal nicht im Restaurant helfen konnten. Gianna war sichtlich enttäuscht darüber – die Arbeit im Restaurant hatte immerhin noch ein klein wenig Spaß versprochen, solange Francesca an ihrer Seite gewesen war. Es betrübte Francesca, dass sie ihrer Cousine nicht die Wahrheit sagen durfte, auch wenn sie natürlicheinsah, dass es besser war, Gianna nicht in diese Sache hineinzuziehen.
Sie warf einen sorgenvollen Blick auf ihre Notizen. Etwa die Hälfte der Büchersammlung ihres Großvaters bestand aus klassischen Romanen und Essaysammlungen, doch daneben gab es auch eine große Zahl alchimistischer und schwarzmagischer Bücher. In ihnen hatte sie einige Informationen über das Necronomicon gefunden, die sie sich sorgfältig aufgeschrieben hatte. Warum jedoch ausgerechnet dieses Buch für den Fluch der Medicis so wichtig sein sollte, hatte sie bisher noch nicht erkennen können. Stattdessen war Francescas Kopf nun voll mit dem – ihrer Meinung nach – völlig unnützen Wissen der Bücher. Mittlerweile kannte sie sich mit dämonischen Anrufungen, Pentagrammen, Ritualzaubern und Kerzenmagie aus, sie wusste, wie man böse Geister bannte, dass Mondsilber magische Kräfte in sich aufsaugte und trockene Salzkristalle als magische Isolatoren fungierten. Doch all dies half ihr keinen Schritt weiter. Es war zum Verzweifeln! Sie hätte alles dafür gegeben, wenn ihr Großvater ein Notizbuch geführt hätte. Doch leider hatte sie bisher nichts dergleichen finden können.
Vieles, was sie sich bisher über das Necronomicon notiert hatte, klang sehr mysteriös und sie fragte sich, wie viel Glauben man diesen veralteten Büchern schenken konnte.
Das Necronomicon wurde von einem arabischen Autor mit Namen Abdul Alhazred unter dem Originaltitel Al Azif verfasst. Um 730 nach Christi verirrte sich Abdul Alhazred in der Wüste. Nach mehreren Tagen, Alhazred war dem Tod schon näher alsdem Leben, entdeckte er inmitten der Dünen die »Stadt ohne Namen« – sie soll einst von Dämonen erbaut worden sein. Alhazred überlebte, doch als er nach Damaskus zurückkehrte, war er geistig verwirrt und nicht mehr bei Sinnen. Tag und Nacht verbrachte er in einem abgedunkelten Zimmer und schien mit den Ecken, in denen sich die Dunkelheit sammelte, Gespräche zu führen. In diesem Zustand schrieb er das Al Azif.
Um 950 übersetzte Theodorus Philatus in Konstantinopel das Buch ins Griechische und gab ihm den neuen Titel »Necronomicon«. Er soll sich aus den beiden lateinischen Wörtern necare (töten) und nomen (Namen) zusammensetzen, weshalb das Necronomicon auch den Beinamen »Das Buch der toten Namen« trägt.
Jahrhundertelang bedienten sich Schwarzmagier und Dämonenhexer der Macht des Necronomicons und nutzten es zu solch grauenvollen Versuchen und Experimenten, dass Papst Gregor IX. das Werk 1232 mit dem Kirchenbann belegte. Jedes Exemplar des Buches, das ausfindig gemacht werden konnte, wurde verbrannt.
Angeblich soll zwischen 1600 und 1650 eine italienische Übersetzung hergestellt worden sein. Obwohl kein Exemplar des Necronomicons erhalten geblieben ist – weder im Original noch in einer Übersetzung –, bleibt der Mythos dieses teuflischen Buches ungebrochen.
Francesca zog eine Grimasse. Dämonen, die eine Stadt in der Wüste erbaut haben sollen? Was für ein Blödsinn! Sie hielt es für
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