Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schattenträumerin

Die Schattenträumerin

Titel: Die Schattenträumerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Wilk
Vom Netzwerk:
Das Medici-Wappen und die Initialen Alessandros befanden sich auf dem Necronomicon. Das konnte nur bedeuten, dass Alessandro dieses Buch hergestellt hatte. Ein Buch, das Macht und Reichtum versprach und mit dem man Fluchdämonen beschwören konnte. Bei den beiden Gehängtenauf dem Markusplatz musste es sich um Alessandro und seinen Übersetzer handeln. Und in ihrer Todesnacht hatten mehrere Anwohner des Markusplatzes mitbekommen, wie jemand einen Fluch über Venedig ausgesprochen hatte. Was wäre, wenn …
    »Ist das nicht Großvaters Handschrift?«, unterbrach Gianna ihren Gedankengang. Sie zog mehrere eng beschriebene Blätter aus dem Aktenschuber hervor.
    Sofort richtete sich Francesca auf. Der Brief trug das Datum von Leonardos Todestag. Hatte Salvatori nicht erzählt, dass ihr Großvater an diesem Tag das letzte Mal im Archiv gewesen war? Dabei hatte er sich anscheinend nicht nur mit der Vergangenheit der Medicis beschäftigt, sondern auch begonnen, einen Brief an seine älteste Tochter Cecilia zu verfassen. Ob er damals schon geahnt hatte, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleiben würde? Francescas Herzschlag beschleunigte sich. War dies nun der entscheidende Hinweis ihres Großvaters, den sie sich in den vergangenen Tagen so verzweifelt herbeigesehnt hatte?
    Meine geliebte Cecilia, mein Sonnenschein,
    wenn du diesen Brief mitsamt der Traumgondel in Händen hältst, habe ich versagt – denn dann liegt der Fluch noch immer auf unserer Familie. Ich habe mein Leben der Aufgabe verschrieben, diesen Fluch zu brechen und es ist mir gelungen, einige der Rätsel zu lösen. Nun glaube ich, am Ende meiner Suche angelangt zu sein, doch zur Sicherheit will ich dir auf diesem Wege mitteilen, was ich im Verlauf der vergangenen Jahre herausfinden konnte:
    Als meine erstgeborene Tochter wirst du nach meinem Tod ein schweres Erbe antreten müssen, denn dann werden bei dir die Albträume beginnen. Aus eigener Erfahrung muss ich dir leider berichten, dass die schützende Wirkung der Traumgondel nicht von Dauer sein wird. Unweigerlich wird der Moment kommen, in dem dich dein Verfolger, Nyarlath, findet und dich die Stufen ins Wasser des Canal Grande hinabführt – hinein in seinen Spiegelpalazzo. Die Stunden, die ich dort verbringen musste, waren die schrecklichsten meines Lebens und es zieht mein Herz vor Schmerz zusammen, wenn ich daran denke, dass auch du dem Dämon irgendwann schutzlos ausgeliefert sein könntest. Nyarlath will, dass du für ihn ein Buch mit dem Titel »Necronomicon« suchst. Es ist ein sehr mächtiges Buch, dessen Kräfte unsere Vorstellungskraft übersteigen. Ich glaube, dieses Buch und der Fluch, der seit Jahrhunderten auf unserer Familie liegt, stehen in engem Zusammenhang. Deswegen habe ich begonnen, in den historischen Dokumenten des Staatsarchivs zu recherchieren. Alle Hinweise führten mich zum Anfang des 17. Jahrhunderts, genauer gesagt, zu unserem Vorfahren Alessandro Demetrio di Medici. Seit seinem Tod scheint die Familie Medici plötzlich vom Unglück verfolgt worden zu sein, doch auch Alessandros Leben selbst erzählt eine tragische Geschichte.
    Wie ich aus den Unterlagen der Avogadori ersehen konnte, stellte Alessandro mehrere Anträge, die schöne Adlige Madelina Tiepolo heiraten zu dürfen, doch es wurde ihm immer wieder aufgrund seiner Herkunft verweigert. Im Nachlass der Familie Tiepolo durfte ich Madelinas Tagebuch einsehen: Die beiden schienen sich tatsächlich von ganzem Herzen zu lieben und wünschten sich nichts so sehr, wie ihr Leben miteinander verbringen zu dürfen.Dass ihnen diese gemeinsame Zukunft verwehrt blieb, war für beide kaum zu ertragen. Als Madelina erfuhr, dass sie anstatt ihres geliebten Alessandros einen dreißig Jahre älteren Adligen ehelichen sollte, beschloss sie, ihrem Leben mit Gift ein Ende zu setzen. Am Tod der Geliebten schien Alessandro fast zu zerbrechen. In seiner Verzweiflung suchte er anscheinend Zuflucht im Okkultismus, denn laut meiner Recherchen erhielt er deswegen mehrere Verwarnungen vonseiten der venezianischen Obrigkeit. Aberglaube und Teufelsanbetung waren in Venedig streng verboten, doch im Untergrund waren diese Dinge weit verbreitet. Alessandro geriet immer tiefer in diese Welt hinein und traf dabei auf einen ausländischen Schwarzmagier, der ihm ein wertvolles verbotenes Buch schenkte – jedoch unter der Bedingung, dass er eine italienische Übersetzung davon anfertigte und sie vervielfältigen ließ. Da Venedig in dieser Zeit das Zentrum

Weitere Kostenlose Bücher