Die Schattenträumerin
der Buchdruckerkunst war und die Medicis über gute Geschäftsbeziehungen verfügten, ging Alessandro gerne auf den reizvollen Handel ein. Für die Übersetzung nahm er anfangs noch die Dienste seines jungen Sekretärs in Anspruch, doch schon bald ließ er niemanden mehr in die Nähe des Buches. Es begann eine seltsame Macht auf ihn auszuüben und Alessandro veränderte sich mit jedem Tag mehr. Er war wie im Fieber, redete davon, mithilfe des Necronomicons Rache zu üben. Er wollte damit nicht nur seine geliebte Madelina wieder zum Leben erwecken – er wollte auch den Dogen stürzen und all die Nobili bestrafen, die für sein und Madelinas tragisches Schicksal verantwortlich waren. An Madelinas Seite, so malte er sich aus, würde er der nächste Doge Venedigs werden. Seinem Bruder Bartolomeo vertraute er an, dass er einen Dämonen heraufbeschwören würde, der ihm zu alldem verhalf.Voller Sorge um Alessandros geistige Gesundheit konsultierte Bartolomeo ihren Leibarzt. Doch dieser war einer der zahlreichen Spione des Rats der Zehn, des venezianischen Geheimdienstes. Ein Großteil der Informationen, die ich dir in diesem Brief mitteile, konnte ich dem Bericht des Leibarztes entnehmen, den dieser dem Rat der Zehn vorlegte. Der Rat reagierte umgehend, nicht umsonst war er in ganz Venedig gefürchtet und für seine gnadenlose und brutale Verfolgung von Feinden der Republik bekannt. Alessandro, der dem Rat ohnehin schon mehrmals unangenehm aufgefallen war, und sein Sekretär wurden gefangen genommen, gefoltert und noch in derselben Nacht getötet. Zu meinem großen Bedauern konnte ich jedoch nirgends einen Hinweis darauf finden, was in jener Nacht mit dem Necronomicon geschehen ist und in wessen Hände es danach gelangt ist.
So weit zu meinen gesicherten Erkenntnissen, nun kann ich dir nur noch von meinen Vermutungen berichten. Ich glaube, dass Alessandro seine Drohung wahr gemacht und in der Nacht seines Todes einen Fluch über Venedig verhängt hat. Kurz vor seiner Verhaftung muss er mitten in einer Beschwörung gewesen sein, in der er einen Fluchdämon in unsere Welt holte, genauer gesagt war es Nyarlath. Der Dämon hat mir während einem meiner Albträume selbst eröffnet, dass er dazu berufen wurde, Venedig zu vernichten. Zuerst wollte ich ihm nicht glauben, doch dann fiel mir ein Buch in die Hände, das mich eines Besseren belehrt hat. In der »Chronik des Unglücks« wird im Detail von Alessandros Todesnacht und dem darauffolgenden stetigen Niedergang Venedigs berichtet. Mittlerweile habe ich mich genug mit Flüchen beschäftigt, um zu wissen, dass ein Teil eines so mächtigen und böswilligen Fluches unweigerlich auf denjenigen zurückfällt,der ihn ausgesprochen hat – im Fall von Alessandros Fluch sogar auf die gesamte Nachkommenschaft. Deswegen bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass sich beide Flüche nur gemeinsam auflösen lassen. Erst wenn es einem Medici gelingt, Venedig von dem Fluch zu befreien, kann unsere Familie wieder Frieden finden.
Nun bin ich dem Ziel endlich nahe – das Necronomicon wurde gefunden und schon heute werde ich es in Händen halten. Ich habe jedoch nicht vor, Nyarlath das Buch zu übergeben. Seine Existenz scheint eng mit dem Necronomicon verbunden zu sein und mir ist klar geworden, dass ich den Namen Medici nur noch mehr mit Schuld belade, wenn ich seinem Wunsch nachkomme. Es gibt nur einen einzigen Weg, beide Flüche aufzuheben – leider ist er nicht ganz ungefährlich und da ich mir dessen bewusst bin, habe ich beschlossen, dir auf diesem Weg alle Informationen, die ich besitze, mitzuteilen.
Hier endete der Brief. Leonardo hatte wohl nicht damit gerechnet, dass sein Tod so kurz bevorstand und er nicht mehr die Gelegenheit dazu haben würde, den Brief an seine Tochter fertigzuschreiben.
Francesca ließ mit zitternden Händen die Blätter sinken. Der Inhalt des Briefes war so ungeheuerlich, dass weder sie noch Gianna in der Lage waren, ein Wort über die Lippen zu bringen. Es war ihr eigener Vorfahre gewesen … Alessandro di Medici hatte mithilfe des Necronomicons Venedig verflucht!
E s war mitten in der Nacht. Francesca saß in der Küche, neben sich eine große Kanne Kaffee und vor sich Knüttelsiels Buch:
Das bei meinen Beschwörungen verwendete Spiegelpentagramm bewirkte jedoch nicht nur eine Krafteindämmung des Necronomicons, sondern verkürzte gleichzeitig in starkem Maße die Zeitdauer der Portalöffnung. Nach eingehenden Versuchen bin ich zu dem
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