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Die Schattenwelt

Titel: Die Schattenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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einzige Bedienstete, die nachts hier bleibt.«
    Sie schlichen schweigend durch das Haus und zur Hintertür hinaus in Richtung Glashaus. Der Nebel verdichtete sich und schien ein Eigenleben zu entwickeln. Er vermischte sich mit Regen und hinterließ schimmernde Wassertropfen auf ihren Gesichtern. Jonathans Muskeln verkrampften sich, und mit jedem Schritt wuchs in ihm die Überzeugung, dass irgendwo außerhalb seines Sichtfeldes bösartige Kreaturen auf sie lauerten. Neben ihm fühlte sich Ricky, soweit das überhaupt möglich war, sogar noch nervöser als im »Kabinett der exotischen Bestien«. Er fragte sich im Stillen, ob er sein Zuhause jemals wiedersehen würde.
    Im Gegensatz zum Haupthaus war das Glashaus warm und einladend. Der Bach plätscherte ruhig vor sich hin, und die Pflanzen raschelten sanft, als Jonathan an ihnen vorbeistrich. Das Telefon befand sich dort, wo er es zuletzt gesehen hatte, auf einem Tisch am Rand der Terrasse. Es hatte keine Tasten, sondern eine Wählscheibe mit Löchern für jede Zahl.
    »Jedes Mal, wenn du den Finger in eines der Löcher steckst, musst du das Rad drehen«, erklärte Raquella etwas genervt. »Also wirklich, ich dachte, ihr Lightsider hättet so viele Telefone.«
    Jonathan antwortete nicht und überlegte, wen er anrufen sollte. Er wusste die Telefonnummer des Krankenhauses nicht auswendig, und er hatte keine Freunde, die er hätte anrufen können, und so blieb nureine Wahl. Er steckte seinen Finger in das erste Loch und begann zu wählen.
    Die Verbindung war fürchterlich, und es erschien ihm eine halbe Ewigkeit zu vergehen, bis endlich ein schwacher Klingelton zu hören war. Jonathan klammerte sich an den Tisch. Dies war seine einzige Hoffnung.
    »Hallo?«, meldete sich Miss Elwood.
    »Hallo, ich bin’s! Jonathan!«
    »Jonathan? Wo bist du? Wie geht es dir?«
    »Mir geht es gut! Hör zu, Dad steckt in Schwierigkeiten! Du musst ihm helfen!«
    »Was sagst du? Die Verbindung ist miserabel. Du musst lauter sprechen!«
    »Hilf Dad!«, rief Jonathan. »Er ist in Gefahr!«
    »Wem soll ich helfen?«
    Hinter ihm brüllte Carnegie los und dann war die Leitung tot.

23
    Jonathan ließ den Hörer fallen und wirbelte herum. Durch die Scheiben des Glashauses konnte er erkennen, dass die Welt draußen sich verändert hatte und das schwache Leuchten der Straßenlaternen durch den dicken Nebel einer undurchdringlichen Schwärze gewichen war.
    »Was ist los?« schrie er.
    Etwas klatschte gegen eine Scheibe, so als wäre jemand gegen das Gebäude geschleudert worden. Carnegie schritt auf Raquella zu und packte sie am Arm. Seine Muskeln begannen sich unter seinem Anzug zu verkrampfen und schwollen an. Die ersten Fellbüschel wuchsen auf seinen Wangen.
    »Weiß Vendetta, dass wir hier sind?«, knurrte er drohend. »Hat er dir befohlen, uns hierherzubringen?«
    »Ich weiß nicht!«, schluchzte Raquella. »Ich habe ihm nichts verraten! Er muss Wachen postiert haben, bevor er gegangen ist!«
    Es klatschte nochmals, lauter als zuvor, und dann noch einmal. Dazwischen nahm Jonathan ein kratzendes und scharrendes Geräusch wahr.
    »Was zur Hölle ist los? Was ist da draußen?«
    Carnegie funkelte Raquella an und ließ sie dann plötzlich los.
    »Fledermäuse«, knurrte er. »Viele Fledermäuse.«
    Jonathan rannte zum Fenster und schnappte sich im Vorbeigegehen eine Öllampe vom Tisch. Als er sich der Scheibe näherte, konnte er die riesigen, schaurigen Tiere erkennen, die sich draußen zu Tausenden versammelt hatten. Mit ihren Flügeln schlugen sie wild durch die Luft und aufeinander ein. Blindlings stürzten sie sich auf das Glashaus und versuchten gewaltsam hineinzugelangen. Jonathan hielt die Lampe hoch, um sie besser zu sehen. Sie scheuten zurück und fletschten wütend die kleinen, rasiermesserscharfen Fangzähne.
    Jonathan rannte zur Terrasse zurück und stellte die Lampe wieder auf dem Tisch ab.
    »Nun, sie mögen also kein Licht. Was können wir noch gegen sie verwenden?«
    »Schaden ihnen nicht Kreuze?«, fragte Ricky.
    Carnegie kniff die Augen zusammen.
    »Was meinst du damit?«
    »Du weißt schon …« Ricky legte seine Zeigefinger kreuzförmig übereinander. »Ein Kreuz!«
    »Und was soll ihnen das anhaben? Laufen sie dann heulend nach Hause?«
    »Okay«, mischte sich Jonathan ein. »Wie kommen wir hier raus?«
    Aus dem Hintergrund hörte man das Geräusch von splitterndem Glas.
    »Sie sind durch die Scheibe gebrochen!«, schrie Ricky.
    Carnegie brüllte wütend auf und schlug mit der

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