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Die Schattenwelt

Titel: Die Schattenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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Faust auf den Tisch, der unter der Wucht des Schlags nachgab. Seine Augen waren blutunterlaufen, und einen Moment lang fürchtete Jonathan, der Wermensch könnte sich gegen einen von ihnen wenden. Er kniete sich neben Raquella, die leise vor sich hin schniefte.
    »Wir müssen hier raus«, sagte er sanft. »Gibt es einen anderen Ausgang?«
    Sie nickte und deutete auf das Gestrüpp.
    »Irgendwo dahinten, aber ich weiß nicht genau, wo …«
    Es krachte fürchterlich, als eine der Scheiben schließlich unter dem enormen Druck nachgab und zersplitterte. Eine schwarze, kreischende Wolke riesiger Darkside-Fledermäuse drang in das Gebäude ein.
    »Lauft!«, schrie Jonathan. »Nehmt so viele Lampen wie möglich mit!«
    Er zog Raquella auf die Füße und schob sie in die Richtung, in die sie gezeigt hatte. Ricky spurtete zur anderen Seite der Terrasse, schnappte sich eine Öllampe und rannte hinter den anderen her. Bevor sie in das Gestrüpp eintauchten, riskierte Jonathan einen Blick zurück. Carnegies Wut nahm zu, der Werwolf in ihm gewann die Oberhand und zerrte an seinen Kleidern. Der Fledermausschwarm griff ihn nicht an, sondern kreiste im hohen Bogen über ihm, als sähen sie in ihm eine befreundete Kreatur der Finsternis.
    » CARNEGIE! KOMM SCHON !«, brüllte Jonathan.
    Der Wermensch heulte nochmals auf und sprintete hinter ihm her.
    Sie rannten blindlings durch das Gestrüpp und stolperten über Äste und Wurzeln. Über ihren Köpfen bildeten die Pflanzen ein dichtes, undurchdringliches Dach und zwangen die Fledermäuse, sich durch die schmale Schneise zu zwängen, die sie hinterlassen hatten. Ihr Kreischen war ohrenbetäubend. Jonathan hörte Carnegie hinter sich knurren und konnte seinen heißen Atem im Nacken spüren. Er war sich nicht ganz sicher, ob der Wermensch ihm folgte oder ihn jagte. Hinter ihnen ergoss sich die schwarze Welle in das Glashaus. Eine einzelne Fledermaus hatte es geschafft, durch das Blätterdach zu brechen, und nun stürzte sie sich wie ein Kamikazeflieger auf Raquella. Das Mädchen schrie und versuchte, die Fledermaus wegzuschlagen. Jonathan stürzte vor und schwang die Lampe in Richtung der Fledermaus, die erschrocken vor dem Licht zurückwich. Er holte nochmals mit der Lampe aus, erwischte sie am Flügel und schleuderte sie ins Gebüsch.
    »Lauft weiter! Sie holen auf!«, schrie Ricky.
    Obwohl seine Beine schmerzten und seine Brust brannte, zwang Jonathan sich, schneller zu laufen. Dann mündete der gewundene Pfad in eine kleine Lichtung. Sie hatten das andere Ende des Glashauses erreicht und standen vor einer rostigen, mit Ranken bewachsenen Eisentür. Ricky stürmte vor und zog am Türgriff.
    »Die ist total verrostet. Die bewegt sich keinen Millimeter!«
    »Jonathan!«, schrie Raquella entsetzt, und plötzlich standen sie mitten in einem Sturm aus Fledermäusen, die nach ihnen bissen und mit ihren Krallen nach ihnen schlugen. Jonathan legte schützend den Arm um Raquella und schwenkte die Lampe über seinem Kopf. Er spürte einen stechenden Schmerz im Hinterkopf und vermutete, dass er von einer Klaue getroffen worden war.
    »Carnegie, unternimm etwas!«
    Der Wermensch brüllte, stürzte an ihnen vorbei und warf sich gegen die Tür. Sie knallte wie ein Sektkorken, sprang auf und der feuchte, kalte Nebel drang in das Gebäude. Carnegies Fell war blutverschmiert.
    »Ricky!«, rief Jonathan.
    Die Fledermäuse hatten Ricky von der Tür abgedrängt und der Junge kämpfte um sein Leben. Er schwang seine Laterne wie eine Waffe und stach mit seiner Schwertklinge aus Licht in die zurückweichende schwarze Wolke.
    Carnegie zog eine Flasche aus seiner Innentasche und grinste Jonathan wölfisch an.
    »Ich hole ihn. Lauft!«, knurrte er.
    Das musste er Jonathan nicht zweimal sagen. Tief geduckt und mit eingezogenem Kopf rannte er auf die Freiheit bringende Tür zu. Trotz der Lampe war es unmöglich, in dem wabernden Nebel etwas zu erkennen, und er rannte mit Raquella ziellos in verschiedene Richtungen, erst links, dann rechts, nur weg vomGlashaus. Unter ihren Füßen wechselte der Bodenbelag von Stein zu Gras, und sie hatten plötzlich Mühe, auf der feuchten Wiese Halt zu finden.
    Ein weiteres Brüllen brachte Jonathan dazu, sich umzudrehen. Er sah den schwachen Schein von Rickys Lampe draußen auf der Terrasse und beobachtete, wie sie im hohen Bogen durch die Scheibe des Glashauses geschleudert wurde. Eine Sekunde lang geschah nichts, dann hörten sie ein tiefes Grollen und eine Explosion zerriss

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