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Die Schattenwelt

Titel: Die Schattenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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hinsah, erblickte er menschliche Gesichter und moderne Kleidung. Die Kneipen und Diskotheken waren wahrscheinlich schon geschlossen, aber überall standen junge Leute in Gruppen zusammen, aßen Fast Food und scherzten miteinander. Ihr Lachen erfüllte die Luft.
    Obwohl Darkside weit entfernt war, waren seine Sinne dort so geschärft worden, dass es ihm schwerfiel, das Gefühl der ständigen Bedrohung abzuschütteln. Jonathan war immer noch darauf gefasst, dass plötzlich aus der Menge einen knochige Hand nach seiner Gurgel greifen oder ein Dolch nach ihm geworfen würde. Jonathan wusste, dass er in seiner zerschlissen Darkside-Kleidung und mit all den Schnitten und Wunden erbärmlich aussah, aber das war ihm egal. Er war zurück auf den Straßen Londons, er warin der Stadt, die er kannte, diesem riesigen Moloch, wo ihn niemand kannte und beachtete. Er war wieder unsichtbar. Hin und wieder bemerkte ihn ein Erwachsener und runzelte überrascht die Stirn, aber Jonathan war bereits weitergelaufen, bevor der ihn ansprechen konnte. Auf den belebten Straßen patrouillierten leuchtend grün gekleidete Polizisten, denen Jonathan sorgsam aus dem Weg ging. Wenn sie ihn entdeckten, würden sie ihm bestimmt eine Menge Fragen stellen, und er hatte keine Zeit, diese zu beantworten.
    Er rannte etwa zwanzig Minuten und gelangte schließlich zum Sankt-Christopher-Krankenhaus. Hier war es viel ruhiger, und nur der Lichtschein einiger Fenster ließ erahnen, dass überhaupt noch jemand wach war. Er sprintete durch den Hof und erreichte den Eingang zu Alains Station. Glücklicherweise war die Tür nicht verschlossen. Oben im Empfangsbereich saß eine Schwester hinter dem Tresen. Ihr Gesicht wurde von einer Leselampe beleuchtet. Sie war in einen Berg medizinischer Berichte vertieft und hätte Jonathan fast nicht bemerkt, als er an ihr vorbeischlich.
    »He!«, rief sie, aber er rannte bereits den Gang entlang. Er hatte keine Zeit zu verlieren, und außerdem konnte es ihm nur recht sein, wenn sie ihm möglichst viele Wachleute zu Alains Zimmer hinterherschicken würde.
    Er kannte den Weg in- und auswendig, bog nach links ab und durchquerte eine der Stationen. DieLichter waren aus, die meisten Patienten schliefen. Jonathan hörte, wie sie im Schlaf ängstlich vor sich hin murmelten. Im Hintergrund vernahm er den überraschten Ruf einer weiteren Schwester und plötzlich hallte eine laute Alarmsirene durch das Gebäude. Die Patienten auf der nächsten Station wurden von dem Lärm geweckt, und als Jonathan vorbeistürmte, fiel ein kleiner Mann mit irrem Blick über den Patienten im Bett neben ihm her. Im Raum brach ein wüster Kampf aus, der von wildem Geschrei begleitet wurde. Jonathan blickte über die Schulter zurück und sah eine Horde weiß gekleideter Aufpasser, die versuchten, die Patienten in den Griff zu bekommen. Das würde sie eine Weile aufhalten.
    Am Ende des Ganges bog er scharf rechts ab und wäre fast auf dem glatten Linoleumboden ausgerutscht. Dann erreichte er den Korridor, auf dem das Zimmer seines Vaters lag. Die meisten Zimmer waren verschlossen, aber am Ende stand eine Tür offen. Licht fiel in den Gang. Jonathan blieb fast das Herz stehen. Es war das Zimmer seines Vaters. Kein Laut drang heraus. Er hörte auf zu rennen und ging langsam auf die geöffnete Tür zu. Der Schweiß rann ihn die Stirn hinunter und sein Atem ging stoßweise. Jetzt gab es keinen Ausweg mehr, kein Verstecken. Plötzlich wurde ihm klar, dass er keinerlei Waffe bei sich hatte. Sollte Vendetta da drin sein, würde er wahrscheinlich bald genauso tot sein wie sein Vater. Jonathan klammerte sich mit seinem gesunden Arm an den Türrahmen und blickte hinein.
    Eine Glühbirne erleuchtete den Raum und er entdeckte sofort Alain Starlings ausgestreckten Körper auf dem Bett. Er wirkte, als habe er sich nicht bewegt, seit Jonathan ihn das letzte Mal gesehen hatte. Neben ihm saß ein Mann auf einem der Stühle und beugte sich über ihn.
    »Nein!«, schrie Jonathan und stürmte vor.
    Der Mann drehte sich um, und Jonathan hielt inne, als ihn ein rundes, freundliches Gesicht erschrocken ansah.
    »Jonathan?«, fragte der Mann.
    »Wer sind Sie? Woher kennen Sie meinen Namen?«
    Der Mann öffnete seine Brieftasche und zeigte ihm einen Ausweis.
    »Ich bin Inspektor Shaw. Wir haben dich gesucht, Jonathan. Alle haben sich Sorgen gemacht.«
    »Was tun Sie hier?«, fragte Jonathan misstrauisch.
    »Wir haben heute Nacht einen Anruf von einer Freundin von dir erhalten. Miss

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