Die Schatzhöhle
Oh, bin ich so froh!« »Nun, ihr habt ja die Angelegenheit auch ohne mich zu Ende geführt. Wo ist Marina?« Ojo machte eine wegwerfende Bewegung.
»Da drüben liegt sie. Die kippte einfach um, als ich ihr sagte, daß ich Euch für tot hielte. Alfonso
erklärte mir gerade, daß das Liebe ist.«
»So«, lachte der Pfeifer.
»Wie lauten Eure nächsten Befehle, Señor Doktor?« fragte Jardín.
Michels Gesicht wurde wieder ernst.
»Fragt doch die Gräfin. Ich gebe jetzt keine Befehle mehr.«
Die beiden sahen sich bestürzt an.
»Wegen — wegen heute nacht?« fragte Ojo.
Michel nickte.
»Ganz richtig. Ich muß mich ins Bett legen. Mein Bein ist doch stärker in Mitleidenschaft gezogen worden, als ich dachte.«
»Ach so, deswegen«, atmete Ojo auf. »Aber vielleicht könnt Ihr uns wenigstens einen Rat geben, was wir nun machen sollen.«
»Gern. Unsere Pflicht wäre, uns um unsere Kameraden auf der Insel zu kümmern. Dann sollten wir die Ernte von den zerstörten Schiffen bergen, soweit das noch möglich ist.«
»Und dann?« fragte Ojo. »Wie steht es mit der Rache für den hinterlistigen Überfall?« Michel schüttelte den Kopf.
»Wann wirst du nur einmal lernen, Diaz, daß Rache nichts ist! Es wäre eine Sinnlosigkeit, die Eingeborenen niederzumetzeln. Wir hätten nichts davon als ein beschwertes Gewissen. Ich bin der Meinung, wir sollten so schnell wie möglich von hier aufbrechen.«
Die beiden nickten, und Michel hinkte zurück zur Treppe.
Bald hallten wieder feste Kommandos über Bord. Nachdem die Toten ihr Seemannsgrab erhalten hatten, lief alles wieder wie am Schnürchen.
Zwei Piraten hatten sich Marinas angenommen und sie in ihre Kabine geschafft.
Jardín übernahm jetzt den Befehl und überwachte das Instandsetzen des Schiffes, während Ojo mit fünfzehnbewaffneten Leuten an Land ging, um nach den anderen zu sehen.
18
Sie gingen am rechten Ufer des Flusses entlang, vorsichtig und jeden Augenblick bereit, sich gegen einen Überfall zu wehren. Nach einer Weile erreichten sie die Biegung des Flusses. Jemand rief sie an.
Als Ojos mächtiger Baß Antwort gab, erklang drüben ein Jubelruf.
Vor ihnen stand Ernesto, der Bootsmannsmaat von der »Mapeika«. Er war zerlumpt, abgerissen, blutverschmiert und hatte einen Knüppel in der Hand.
»Gott sei dank, daß ihr kommt. Wir dachten schon, euch hätte es auch erwischt.«
»Beinahe«, sagte Ojo. »Aber wir haben sie in den Grund gebohrt.« »Waren es Holländer?
»Wir wissen es nicht. Aber zwei Leichen, die bei uns vorbeitrieben, sahen aus wie Araber. Wie
viele seid ihr noch?«
»Vierunddreißig«, erwiderte Ernesto mit zitternder Stimme.
»Und von der »Dimanche«?«
»Alle zusammen Vierunddreißig.«
»Mein Gott ! — Und die anderen?«
»Tot, verbrannt, erschlagen, an ihren Wunden gestorben. Es war gräßlich.«
»Die Hunde!« knirschte Ojo.
Während sie weitergingen, berichtete Ernesto:
»Capitán Porquez ist tot, die Offiziere sind verbrannt. Ibn Kuteiba ist schwer verwundet. Abu Hanufa und Don Hidalgo —, wir wissen nicht, wo sie sind, wahrscheinlich unter den unkenntlichen Leichen.«
Es hatte Ernesto Anstrengung gekostet, diese Tatsachen mit fester Stimme zu erzählen. Ein Kloß saß ihm in der Kehle. Ojos Leute hatten Gesichter, in denen es nur noch eine Form des Ausdrucks gab: Haß, unbändigen Haß. Ihre Finger spielten mit den Pistolenkolben. Und manch ein Daumen fuhr heimlich prüfend über die Schärfe des Messers. »Was macht Fernando?« fragte Ernesto besorgt. »Der Student?« »Hm.«
»Ich weiß nicht. Wahrscheinlich liegt er noch in der Krankenkoje. Niemand hatte bisher Zeit,
sich um ihn zu kümmern.«
Dann erreichten sie das Lager der Überlebenden.
Von der »Dimanche« stieg noch immer schwelender Rauch auf. Aufbauten und Oberdeck existierten nicht mehr. Der Schiffsrumpf lag da wie eine große offene Schale. Die Zerstörung war vollständig. Nicht viel besser sah es um die »Mapeika« aus. Sie war voll Wasser gelaufen. Und da sie auf einer Sandbank dicht neben dem Ufer lag, ragten Deck und Aufbauten noch aus dem Wasser. Alles, was diese beiden Schiffe an Bord hatten, war verloren. Damit auch zwei Drittel der Muskatnußernte.
»Ja«, sagte Ojo, »dann macht euch bereit. Ich glaube, wir können gehen. Hier ist wohl nichts mehr zu retten.«
Die Vierunddreißig Überlebenden hatten, soweit sienicht schwer verwundet waren, ein Massengrab geschaufelt und richteten jetzt als letzten Liebesdienst für die toten Kameraden ein großes
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