Die Schatzhöhle
haben.«
»Das sind doch Märchen«, erwiderte Harun ál Walan geringschätzig.
»Ich möchte das nicht sagen. Hier in der Stadt lebt ein Fremder, ein Weißer aus Frankistan, der diesen sagenhaften Berg aller Wahrscheinlichkeit nach entdeckt hat.« »Nicht möglich.«
»Und er hat nicht weniger als fünf Packpferde mit Säcken beladen von der Reise zu diesem Berg
mitgebracht«, fuhr Imi Bej unbeirrt fort.
»Und was enthielten diese Säcke?«
»Soweit mir meine Späher berichteten« — hier machte Imi Bej eine Kunstpause — »Perlen und Edelsteine, und kein Edelstein soll kleiner sein als ein Taubenei!« »Das wäre immerhin ein ungeheurer Reichtum«, sagte
Harun ál Walan nachdenklich. »Befindet sich der Schatz dieses Weißen noch in der Stadt?«
»Soviel ich weiß, ja.«
»Wäre es dann nicht einfacher, hm ...«
Harun ließ den Gedanken unausgesprochen; aber er war auch so unmißverständlich. Imi Bej lächelte hintergründig.
»Ich habe schon ähnliches gedacht; aber leider sind wir noch nicht die Herren des Landes. Und noch herrschen die Gesetze der Portugiesen. Es käme fast einem Verbrechen gleich, den Fremden mit dem Schatz aus Sansibar entkommen zu lassen; aber — hm — die Enteignung würde nicht ohne Aufsehen vor sich gehen. Und, wie die Lage zur Zeit steht, kann ich es mir nicht leisten, Aufsehen zu erregen.«
»Du hast recht. Dem Imam würde damit ein schlechter Dienst erwiesen werden.«
»Ich werde es natürlich trotzdem versuchen, wenn auch sehr — sehr vorsichtig.«
»Und du meinst«, fuhr Harun ál Walan fort, »daß du am »Berg der bösen Geister« noch weitere Schätze dieser Art finden würdest?«
»Ich bin davon überzeugt; denn ich glaube nicht, daß der Fremde die Möglichkeit hatte, alles wegzuschleppen.«
»Hm — du solltest es wirklich versuchen. Unser Herr, der heilige Imam, wird für den Zeitpunkt, da Sansibar endgültig in unseren Besitz gelangt ist, einen tüchtigen Statthalter brauchen. Ich werde nicht vergessen, ihn auf dich aufmerksam zu machen.«
»Ich danke dir, Harun ál Walan, und ich werde nicht versäumen, dich zu gegebener Zeit an dein Versprechen zu erinnern.«
60
Paulus Krämer war Vollmatrose auf der »Delphin«. Er stammte aus Neukölln, hatte aber nicht viel von der Pfiffigkeit eines Berliners an sich. Trotz seiner Größe und Körperkraft war er kein Held. Seine Kameraden machten sich oft einen Spaß daraus, ihn durch Gruselgeschichten zum Fürchten zu bringen. Er war an Bord derjenige, auf den sich aller Spott entlud. Und weil Menschen, besonders wenn sie lange auf See sind, also eine zwangsläufige Gemeinschaft bilden, immer jemanden brauchen, an dem sie ihr Mütchen kühlen können, so war ihnen Paulus Krämer nicht unwillkommen.
Der starke Matrose war damit beschäftigt, die Planken des Decks zu schrubben. Eigentlich war er heute gar nicht an der Reihe; aber einer seiner Kameraden hatte es verstanden, ihn zur Übernahme dieser wenig beliebten Arbeit zu überreden.
Es herrschte eine diabolische Hitze. Mehr als einmal ließ Paulus Krämer den Schrubber ruhen, um sich mit dem Handrücken über die Stirn zu fahren. Der Schweiß rann ihm in Strömen vom nackten Oberkörper.
Ein Bootsmaat kam und überbrachte ihm den Befehl, in die Kapitänskajüte zu gehen.
Paulus Krämer begrüßte diese willkommene Unterbrechung seiner Arbeit. Von einer Taurolle nahm er sein Hemd, zog es über die schweißfeuchte Haut und wandte sich mit breitbeinigem Gang dem Mittelschiff zu.
»Paulus«, empfing ihn Kapitän Weber, »das hier ist Herr Doktor Baum.« Krämer machte eine linkische Verbeugung.
Michel reichte ihm freundlich die Hand, die kräftig geschüttelt wurde.
»Tja, das ist nun so, Paulus, der Herr Doktor ist Forschungsreisender und hat mich gebeten, seine Gesteinsproben mit nach Deutschland zu nehmen. Obwohl du als Vollmatrose keine Verladearbeiten zu tun brauchst, möchte ich dich doch bitten, mit Herrn Doktor Baum in dessen Hotel zu gehen, um ihm behilflich zu sein, seine Gesteinsproben auf einen Eselskarren zu verpacken. Willst du das tun?«
»Tjawoll, Käpt'n«, sagte Paulus Krämer, »aber ich habe noch nie irgendwelche Steine auf einen Eselskarren geladen. Ich weiß nicht so recht, ob ich das kann.«
»Da mach dir keine Sorgen, min Jong, die Steine sind in Säcken.« Michel nickte bestätigend.
»In Säcken? Na, dann ist das wohl dasselbe, als wenn ich sonst andere Säcke irgendwohin lege
oder stapeln tu, Käpt'n?«
»Ja, Paulus, das denke ich
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