Die Schatzhöhle
folgen«, sagte der eine in Pidgin-Englisch, »oder du bist ein Kind des Todes.«
Es war nicht ausgeblieben, daß selbst ein Paulus Krämer im Lauf der Jahre, die er der Seefahrt
gewidmet hatte, einige Brocken Englisch gelernt hatte.
»Kommen? Wohin?«
»Das wirst du sehen.«
Mit einem flinken Sprung war der kleinere von den beiden in Krämers Rücken und drückte ihm den Lauf der Pistole spürbar zwischen die Schulterblätter.»Nun geh«, zischte er dabei. Paulus Krämer schwankte plötzlich ein wenig. Jetzt machte sich der genossene Alkohol doch bemerkbar. Wäre er nüchtern gewesen, so hätte er die beiden wahrscheinlich mit zwei wohlgezielten Faustschlägen zu Boden gestreckt. Aber in diesem Zustand wußte er nicht, was er tun sollte, und folgte gehorsam wie ein kleines Kind.
62
Durch enge Gassen und winklige Treppen führte ihr Weg. Nachdem eine halbe Stunde vergangen war, erreichten sie den Teil der Stadt, in dem in erster Linie Araber ansässig waren. Plötzlich fühlte sich Paulus Krämer von einer unübersehbaren Menge von Gestalten umringt und zu Boden gerissen.
Der unerwartete Überfall machte ihn nüchtern. Wie ein Rasender schlug er um sich. Aber jetzt war es zu spät. Seine Kräfte waren denen der vielen nicht gewachsen.
Nervige Fäuste rissen ihn hoch. Sie hielten ihn fest, so, daß er kaum die Arme bewegen konnte. Und dann stülpte ihm einer einen Sack oder etwas Ähnliches über den Kopf. »Los, geh weiter«, zischte eine Stimme in Pidgin-Englisch.
Er folgte. Es kam ihm vor, als müsse er viele Treppen steigen, und die gleiche Anzahl von Stufen wieder hinuntergehen. Nach zehn Minuten hatte er alle Orientierung verloren. In seiner Umgebung roch es muffig. Dann erhielt er einen Stoß und taumelte gegen eine Wand. Eine Tür fiel ins Schloß, und ein Schlüssel drehte sich quietschend um. Paulus Krämer war gefangen.
Sterne tanzten vor seinen Augen. Das fortwährende Hin und Hergerissenwerden hatte ihm in Verbindung mit dem genossenen Wein Übelkeit bereitet. Nur mit Mühe gelang es ihm, sich der Kapuze zu entledigen, bevor er sich erbrach.
Dann lehnte er sich mit der Stirn gegen die kühle Wand. In dieser Stellung verharrte er eine Weile, bis er hörte, daß draußen abermals der Schlüssel umgedreht wurde. Dann drang Lichtschein in sein Verließ. Er sah, wie sich zwei Gewehre auf ihn richteten. Zwischen den Gewehren stand ein mittelgroßer, in kostbare Gewänder gehüllter Mann, der ihn von oben bis unten fixierte.
Der Mann bediente sich einer ausgesucht höflichen Sprache, als er jetzt fragte :
»Ihr gehört zu dem Schiff »Delphin«, nicht wahr?«
Paulus Krämer nickte.
Der Mann, der ihm gegenüberstand, beherrschte die englische Sprache mit großer Vollkommenheit. Jetzt fuhr er fort:
»Ihr habt heute geholfen, Säcke auf Euerm Schiff zu verstauen, nicht wahr?«
Du lieber Gott, dachte Paulus Krämer, seit wann interessieren sich Araber für die
Gesteinssammlungen von deutschen Professoren. Die sollen sich doch um ihren eigenen Dreck
kümmern. Laut sagte er:
»Ja, das stimmt. Weshalb fragt Ihr?«
»Wißt Ihr, was in den Säcken war?«
»Natürlich, daran ist nichts Geheimnisvolles. Es waren Steine, nichts als Steine.«
»Ja, Steine. Ihr habt ganz recht. Und wißt Ihr auch, was für Steine?«
»Ja, der deutsche Professor sagte es.«
»Wer?«
»Der deutsche Professor, der Doktor — wie hieß er doch gleich — Baum, ja, ganz recht, Doktor Baum. Er hat diese Steine auf einer Expedition in Afrika gesammelt. Er ist Forscher.« Auf der Stirn des vornehm gekleideten Arabers bildete sich eine steile Unmutsfalte.
»Hört, mein Freund, haltet uns nicht für dumm. Wollt Ihr mir wirklich weismachen, daß ein Mensch nach Afrika zieht, um Steine aus dem Boden zu graben?«
»Ich halte es ja auch für verrückt«, schloß sich Paulus Krämer den Gedankengängen des Arabers an. »Aber ich weiß, daß es viele solcher Leute in Deutschland gibt. Ich habe zum Beispiel einen Onkel, der jeden Sonntag in die Lüneburger Heide fährt, um Schmetterlinge zu sammeln. Sie nennen das Wissenschaft.« »Was ist das, Lüneburger Heide?« fragte der Araber.
»Nun, eine Heide eben, eine Heide wie jede andere, nur, daß sie in der Nähe von Lüneburg liegt.«
Der Araber war niemand anders als Imi Bej. Seine Augen zogen sich zu einem schmalen Spalt zusammen. Er dachte über das soeben Gehörte nach. Der Matrose machte nicht den Eindruck, als lüge er. Vielleicht hatte es der weiße Schatzsucher verstanden, ihm
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