Die Scheune (German Edition)
den Weg zur Nummer 239 der Westview Central Avenue ein.
Die Dame an der Anmeldung war freundlich. „Sie möchten mit Dr. Hendell nur über Ihren Mann sprechen?“, fragte sie.
Sarah nickte.
„Warum ist er denn nicht selbst gekommen?“
Sarah antwortete erbost: „Das ist ja der Grund, warum ich hier bin.“
Die Dame, um die fünfundvierzig, überaus attraktiv, schlank und professionell geschminkt, nickte mit offenem Mund. „Hören Sie, da Sie ohne Termin gekommen sind, müssten Sie sich auf eine längere Wartezeit einstellen. Ist Ihnen das möglich?“
„Natürlich“, antwortete Sarah und verließ noch einmal kurz die Praxis.
Sie suchte eine Telefonzelle auf. Sie war irgendwie unruhig und wollte versuchen, Dane einmal kurz anzurufen. Nach einem längeren Klingelversuch wurde sie nervös. Er nahm den Hörer nicht ab. Sie ließ es weiter klingeln. Sie kannte seine Sturheit sehr wohl und auch seine Art, ihr eine Antwort auf ihr morgendliches Benehmen zu geben. Dann hatte sie Erfolg.
„Ja?“
„Dane, ich bin es. Du, ich habe eine gute Freundin getroffen und möchte gerne mit ihr noch in die Stadt etwas essen gehen und vielleicht Kaffee trinken. Dann wird es wohl später. Ist das okay?“
Sie hörte seinen schnellen Atem, er musste gerannt sein, und er tat ihr unendlich leid.
„Ich habe noch Fisch im Eisschrank. Für dich.“ Sie wartete auf eine Antwort, die sie nicht bekam. Sie hörte nur seinen Atem – seine stumme Wut, die durch den Hörer kroch. „Dane! Hast du mich verstanden?“ Herr Gott, dachte sie, antworte doch, du dummer Kerl. Dann bekam sie ihre Antwort: Es klickte in der Leitung, und die Verbindung war beendet. Zunächst sah sie ungläubig in die Sprechmuschel. Hatte sie das nicht irgendwie erwartet?
Sie wollte sich nicht beirren lassen und besorgte sich ein Buch über Gemüsezüchtungen und zwei Ecken weiter bei Flowers-Paradise die Materialien für ihre neuen Blumengestecke. Sie musste ihm gegenüber auch glaubwürdig bleiben. Rasch packte sie alles in den Wagen, der direkt vor Dr. Hendells Praxis parkte und trat den Weg ins Wartezimmer an.
Sie hatte Glück. Entweder verdankte sie es der hervorragenden Planung der Sekretärin oder dem Zufall, dass sich nur eine Frau im Wartezimmer aufhielt, obwohl Aufhalten das falsche Wort war; sie kauerte im hinteren Teil des großzügigen Wartezimmers und starrte geistesabwesend zu Boden. Sarah grüßte sie freundlich, bekam aber keinen Gruß zurück. So setzte sie sich in die andere Ecke des Zimmers und nahm nervös die Daily News in die Hand, die auf dem Tisch vor ihr lag. Ein Sommerfest mit großem Rummel und Tombola wurde angekündigt. Die Neueröffnungen verschiedener Geschäfte wurden bekannt gegeben. Dann fiel ihr der Artikel einer Suchmeldung ins Auge.
Wer weiß, wo Kevin steckt?
Interessiert las sie den Bericht:
Der kleine Kevin Cloths ist seit dem 17. Juli spurlos verschwunden. Die Eltern sind verzweifelt. Zeugen behaupten, ihn mit einem dunkelhaarigen, schlanken Mann in einem Eiscafé gesehen zu haben.
Kevin Cloths ist 4 1/2 Jahre alt, blond und trägt eine schwarze Jeans mit einem schwarzen T-Shirt und rote Sandalen.
Wir möchten die Bürger von Kansas City auffordern, sich an der Suche zu beteiligen oder stärkere Aufmerksamkeit auf einen solchen Mann mit einem kleinen Jungen zu legen. Hinweise bitte an die hiesige Polizeidienststelle.
Das Bild, das neben dem Artikel abgedruckt war, war dem kleinen Dane ihrer Cousine Maggie sehr ähnlich. Sarahs Adrenalinspiegel stieg an. Sie bekam Panik und rechnete fünf Tage zurück. Beruhigt stellte sie fest, an diesem Tag mit Dane in Denver bei ihrer Familie gewesen zu sein. Sie griff in ihre Handtasche und holte sich ihre Notizen, die sie gestern gemacht hatte, heraus. War es nicht der 17. Juli, als Dane mit dem Jungen von Maggie Eis essen war? Die Parallelen waren ihr unheimlich. Sie schmiss die Zeitung zurück auf den Tisch.
Die Dame, die in der Ecke saß, wurde freundlich von Dr. Hendell hereingerufen.
Eine Stunde später saß Sarah in seinem Zimmer. Helle Möbel und riesige Grünpflanzen verwandelten sein Arbeitszimmer in einen Dschungel. Sarah fand es sehr angenehm. Dr. Hendell war ihr auf Anhieb sympathisch. Die ruhige und nette Art, sie anzusprechen, weckte sofort ihr Vertrauen. Er war recht jung, klein und leicht untersetzt, hatte dichtes, blondes Haar und trug eine moderne Metallbrille. Sein Gesicht war gebräunt. Die klare Stimme gab ihr das Gefühl, hier die Hilfe
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