Die Scheune (German Edition)
zu finden, die sie benötigte.
„Sie sind also Mrs. Gelton?“
Der Name war ihr immer noch fremd. Merkwürdig, obwohl sie ihn doch schon seit mehr als zwei Jahren trug. Sie dachte an die Tagebücher von Danes Mutter. Sie waren von einer Mrs. Gelton geschrieben worden.
„Ja, Dr. Hendell. Ich komme leider alleine, weil mein Mann es noch nicht für nötig hält, hierher zu kommen.“
„Das heißt, dass Sie für Ihren Mann kommen?“
„Ja.“
"Was heißt, noch nicht für nötig hält?“
„Er braucht unbedingt Hilfe. Aber er sieht das ganz anders.“
„Das ist bei uns an der Tagesordnung. Aber was heißt aus Ihrer Sicht, dass er Hilfe braucht?“
„Er kommt aus einem desolaten Elternhaus. Und das verfolgt ihn jetzt.“
Hendell nickte. Jetzt kam er der Sache schon näher. Die Kindheit ist in den meisten Fällen die Ursache für spätere Probleme im Leben. Er fragte Sarah: „Geben Sie mir einen Anhaltspunkt, der mir eine Idee für sein Problem geben könnte.“
Sarah dachte nicht lange nach und sagte: „Sein Vater hat ihn ab seinem vierten Lebensjahr missbraucht und misshandelt.“
Hendell räusperte sich. Das genügte, um eine Akte anzulegen.
Sarah kam nicht umhin, Danes ganze Geschichte zu erzählen, soweit sie informiert war. Aber auch ihre eigene, um das zusätzliche Problem zwischen ihnen zu erklären. Sie griff wieder nach Worten, die sie inzwischen verabscheute.
Dr. Hendell hörte ihr aufmerksam zu und nickte ständig mit dem Kopf, wobei er eifrig Notizen machte. Als Sarah endete, sah er sie stumm an. Seine linke Hand bezog Stellung vor seinem Mund. Er drückte seine Kinnpartie zusammen, und sie konnte förmlich spüren, wie seine Gedanken kamen und er sie in Worte zu formen versuchte.
„Fangen wir ganz langsam an. Zuvor möchte ich bemerken, dass wir dieses Gespräch mit außerordentlicher Vorsicht zu genießen haben, denn zu leicht verfällt man auf diesem Gebiet einer Überbewertung von Situationen. Aber ... ich muss zugeben, dass Ihre Schilderungen etwas Beunruhigendes haben, zumal eine sehr starke Auffälligkeit schon in seiner Familie vorgekommen ist – sogar über Generationen. Das müssen wir schon ernst nehmen. Wir sollten aber versuchen, uns an die Dinge zu halten, die Sie definitiv beobachtet haben und die Ihnen besonders aufgefallen sind. Auch wenn der Vater Ihres Mannes zweifellos pädophil war und ein perverses Verhalten gezeigt hat, so würde ich das bei Ihrem Mann ausschließen – wenn auch eine gewisse Komponente für die Voraussetzung dieser Neigung zu erkennen ist. Ich denke da an sein regelrecht krankhaftes Duschen – ein Waschzwang. Das ist zweifellos eine Auffälligkeit. Aber weiter sehe ich keine Merkmale, die eine Perversion befürworten würde. Ich sehe da eher eine Neigung zu Neurosen. Wie ich eben schon sagte: der Waschzwang. Wir dürfen aber seine Vergangenheit dabei nicht aus den Augen verlieren. Ebenso das letzte Zusammentreffen mit seinem Vater. Das alles hat natürlich auch irgendwie seine Auswirkungen. Das sind massive Stationen in seinem Leben gewesen, die er nicht einfach vergessen kann. Alles kommt auf die eine oder andere Weise irgendwann heraus. Jeder Mensch verarbeitet die Dinge in seinem Leben anders. Wer verarbeitet schon solche Situationen normal? Unter den gegebenen Umständen würde ich ihm gewisse Zwänge ohne weiteres zugestehen, in einem gewissen Rahmen.
„Aber mir macht die Sache mit seinem Vater so sehr zu schaffen. Da muss doch irgendwo eine Veranlagung in seiner Familie liegen. Denken Sie doch nur an Danes Großvater, der auch seinen Sohn missbraucht hat. Dane hat keine Kinder. Ist es möglich, dass er sich selbst zu missbrauchen beginnt?“
Hendell stutzte. Sich selbst missbrauchen? „Sie meinen, das Erbrechen, die Kopfschmerzen und die Gedächtnislücken können die Anzeichen eines eigenen gedanklichen Missbrauchs sein?“
„So ungefähr.“
„Wenn er eine pädophile Neigung hätte, die er nicht beherrscht bekommt, wäre er längst durch ein auffallendes Verhalten Kindern gegenüber in Erscheinung getreten. Können Sie das bestätigen? Gab es da Vorfälle?“
„Nein. Er ist nur einmal mit dem Sohn meiner Schwester plötzlich verschwunden. Aber da stellte sich heraus, dass sie nur Eisessen waren.“
„Wie alt ist der Junge.“
„Vier.“
„Vier“, wiederholte Hendell. „Und es ist sicher, dass die beiden nur Eisessen waren?“
Jetzt stockte Sarah. Sollte da doch etwas vorgefallen sein? „Mein Neffe zeigte keinerlei
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