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Die Scheune (German Edition)

Die Scheune (German Edition)

Titel: Die Scheune (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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die kleinsten Ecken perfekt. Keine Fußleiste hatte einen Kratzer.
    Dr. Hendell unterbrach ihre Gedanken: „Es gibt eine große Variationsbreite, aber das wären die Wichtigsten, die für Ihren Mann in Betracht kommen könnten . Zum Leiden werden sie dadurch, dass der Betroffene merkt, dass etwas mit ihm geschieht, was er eigentlich nicht will. Auch das könnte seine Übelkeit und das Andere erklären.“
    „Was ist mit seinem Duschzwang?“
    „Wie oft duscht Ihr Mann?“
    „Manchmal drei bis viermal täglich.“
    „Hat er einen Grund dazu – zum Beispiel eine schmutzige Arbeit?“
    „Nein – er geht immer sauber unter die Dusche.“
    „Wie lange?“
    „Ein halbe, manchmal eine Stunde.“
    „Das wären zwischen anderthalb und vier Stunden duschen am Tag. Die unterste Grenze ist noch akzeptabel. Bei vier Stunden beginnt es schon auffällig zu werden. Das könnte alarmierend sein. Tendiert er eher zur unteren oder oberen Grenze?“
    „Zur oberen. Wenn nicht, sogar noch darüber. Er hat auch schon zwei Stunden am Stück darunter gestanden. Und er duscht immer sehr heiß.“
    Hendell nickte. Je heißer, je intensiver der Reinigungsprozess, den der Betroffene erreichen will. Hendell sah Sarah an. „Es ist also ein sich immer wiederholender Handlungsablauf. Ich meine das häufige Duschen. Er macht das unter großer Anspannung, nicht zu seinem Vergnügen. Können Sie das in etwa bestätigen?“
    Sarah nickte. Ja, Dane sah nicht entspannt aus, wenn er unter die Dusche ging. Er wurde dann hektisch und kurz, als fühlte er sich gejagt. Als wolle er etwas abwaschen, was ihn stört.
    „Wie sieht es bei ihm, abgesehen von der körperlichen Reinigung, mit Ordnung und Sauberkeit aus?“
    Sarah dachte wieder an das Haus. Wann hatte in dem Haus je Unordnung geherrscht? Wann hatte er je einen gedeckten Tisch nach dem Essen stehen lassen oder das Geschirr auf dem Schrank oder die Wäsche auf dem Stuhl? Er räumte oft mit großer Hektik auf. Er beseitigte jeden Fleck, den er auf dem Schrank oder Boden sah. Er wischte und putzte, wo alles bereits sauber war. Jetzt fiel es Sarah richtig auf. Sie hatte es bisher als Aufmerksamkeit und Hilfe ihr gegenüber betrachtet. Dem einzigen, dem er dabei half, war sich selbst. Alles was er tat, wie er aussah, wie er sich kleidete, wie er sich pflegte, wie er das Haus pflegte, wie er seine Corvette gepflegt hatte, wie er das Restaurant in Glendale gepflegt hatte, ging nur um Ordnung und Reinlichkeit – alles! War es, weil sein Leben früher von einem großen Chaos beherrscht war? Oder weil sein Vater so dreckig war?
    „Zu einem Problem werden die Zwänge erst dann“, hörte sie Hendell sagen, „wenn es dem Betroffenen nicht mehr möglich ist, einen normalen Alltag zu gestalten.“
    Ja, sein Alltag! Wie hatte der ausgesehen, als das Haus fertig war? Er ging in diese verdammte Scheune und redete dort mit sich selbst.
    „Mrs. Gelton, alles in Ordnung?“
    Sarah schrak zusammen. Sie zitterte. „Gibt es noch andere Neurosen?“
    „Oh ja, die sogenannte Angstneurose. Der Betroffene wird von diffusen Ängsten überflutet, die er nicht mehr kontrollieren kann und die ohne Auslöser auftreten. Das Gefühl der Angst kann so mächtig werden, dass es zu einer intensiven Panikstimmung kommt. Häufig richten sich Angstneurosen auf den eigenen Körper. Wenn dem Betroffenen ein Angstanfall droht, zieht er sich zurück und versucht, sich zum Beispiel mit Entspannungstechniken oder Beruhigungsmedikamenten zu schützen.“
    Sarah wusste nichts von seinen vielen Meditationen, die er ständig heimlich gemacht hatte. Aber sie wusste von dem Gin. „Kann Alkohol auch als Ersatz für ein Beruhigungsmittel genommen werden?“
    „Wäre denkbar. Wenn es ihn von der Angst befreit.“
    „Dane hat in letzter Zeit viel Gin getrunken. Ich habe es ihm verboten.“
    Der Arzt nickte nachdenklich. „Wann?“
    „Vor einigen Wochen.“
    „War er ein regelmäßiger Trinker?“
    „Nein. Unregelmäßig – aber wenn, dann eine ganze Flasche.“
    Hendell nickte wieder nachdenklich. Alkohol als Beruhigungsmittel. „Hat Ihr Mann meditiert?“
    „Nein, nicht das ich wüsste.“
    „Wenn er zu Hause ist, sind Sie dann ständig mit ihm zusammen oder verlassen Sie hin und wieder das Haus alleine.“
    Sarah dachte nach. Heute war sie zum ersten Mal alleine weg. Nein! Sie war früher öfters mit Mrs. Heddon unterwegs gewesen! Hatte Dane die Zeit für Meditationen genutzt? War er derzeit schon Ängsten ausgesetzt, von

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